Ursula Hübners Pilzesammlung

Eine „liebende Zufälligkeit“ hat Ursula Hübner ihre Sammlung von Pilzen einmal genannt. Und definiert damit zugleich ihre Wege als Sammlerin. Die Liebe zu den Pilzen dauert an, die Künstlerin läßt es dabei auf den Zufall ankommen, der ihr neue Pilze immer wieder gewissermaßen zuträgt. Sie folgt keinem Suchsystem, und doch finden die Pilze ihren Weg in die Sammlung von Ursula Hübner.

Der gläserne Fliegenpilz für den Christbaum war ein aufmerksames Geschenk, genauso wie der aus rotem Plastik, der auch als Lampe leuchtet. Auch die seltenen Pilze aus französischer Schokolade hatten, wenn auch nur vorübergehend und bis zu ihrem Haltbarkeitsdatum, Aufnahme in die Sammlung gefunden.

Das bislang größte Objekt der Sammlung, ein heller Polyesterpilz, wurde 1994 nach den Entwürfen der Künstlerin hergestellt. Mit zwei dieser Groß-Schwammerln hatte Ursula Hübner die Opernproduktion „Der wilde Jäger“ ausgestattet, die 1994 im Rahmen der Wiener Festwochen uraufgeführt worden war. Die Pilze verfügten damals über ein pyrotechnisches Innenleben, explodierten und sprengten ihre Kappen, entfalteten ein dramatisches Eigenleben.

Ein feiner seidiger, perlenbestickter und wie ein Parasol geformter Pilz stellt ein anderes recht nobles Exemplar in der Sammlung dar und wurde zweimal ausgesucht, für die eigene Sammlung und für eine beste Freundin. So läßt sich auch feststellen, daß Ursula Hübner ihre Sammlung nicht allein auf die Räume beschränkt, in denen sie lebt und arbeitet, sondern auch auf die Menschen ausdehnt, die ihr im Leben wesentlich und wichtig sind.

Der gezeichnete Fliegenpilz fand sich in einem Kasten des Elternhauses, in dem die Mutter der Künstlerin ihre eigenen Schulzeichnungen aufbewahrt hatte.

Daß sich Ursula Hübner ausgerechnet für Pilze interessiert mag auch an ihrer gänzlich unstrategischen Art und Weise des Sammelns liegen. Kein einziges Objekt hat den Weg in die Sammlung gefunden, nachdem es in einer Auslage gesehen, gekauft und aufgestellt worden wäre. „Ihre“ Pilze sind keine Waren, keine Objekte des Konsums, sie stellen vielmehr ein Geflecht von Geschichten, Beziehungen, Erinnerungen dar und nur in solchen Zusammenhängen vervollständigen die Schwammerln auch die Sammlung der Künstlerin – in „liebender Zufälligkeit“. So wendet sich Ursula Hübner den Pilzen vielmehr als Wesen denn als Objekten zu.

Schon in den allerersten Begegnungen mit Pilzen, ob beim Schwammerlsuchen oder in der Pilzstadt eines Kinderbuchs, ging es um den Unterschied zwischen der Realität und einer Welt der Vorstellung. Ein Fliegenpilz erscheint in seiner prächtigen Farbigkeit vor der braunen und grünen Natur des Waldes als geradezu irreal. Bereits in ihrer märchenhaften Unwirklichkeit entfalten Pilze auch ihre halluzinatorische Wirkung. Man muß sie nicht gegessen haben, um mit ihnen auf eine innere Reise gehen zu können.

Für Ursula Hübner eröffnen die Pilze ihrer Sammlung eine Welt, aus der die Künstlerin immer wieder in die Wirklichkeit zurückkehrt.