Der Durst der Hyäne

Bewaffnete Konflikte im Kongo, die auf den Abbau seltener Rohstoffe und die Gier nach dem großen Gewinn zurückzuführen sind, stellen die Basis des Librettos von Kristine Tornquist dar. Rohstoffabbau und Umweltzerstörung gehen eine verhängnisvolle Alliance ein, die den Menschen die Grundlage zum Leben raubt und ihnen das Wenige nimmt, das sie besitzen.

In ersten Gesprächen erzählte sie mir über ihre Recherchen zum Kongo-Tribunal und auch über ihre Idee, das alles mit einem der Sieben Werke der Barmherzigkeit zu verbinden: den Dürstenden zu trinken geben.

Im Mittelpunkt der Oper steht ein Bauernehepaar, das seine Kuh durch vergiftetes Flusswasser verliert. Ihnen gegenüber steht der Manager der Mine mit seinem Handlanger, der für diese Umweltverschmutzung verantwortlich ist. Diese Geschichte könnte sich überall auf der Welt so abspielen: wie schafft man es, sich gegen eine Macht aufzulehnen und für seine Rechte einzustehen? Wer entschädigt die Geschädigten? Welche helfenden Instanzen gibt es?

Im Falle dieser Oper sind die helfenden Instanzen einerseits ein korrupter Zauberer – wodurch die Geschichte immer mehr zu einer absurd anmutenden Sage wird – und andererseits die Frau des Managers, die angesichts einer veritablen und unerklärlichen Gesundheitskrise ihres Mannes jeden Preis zu zahlen bereit ist – wodurch die Geschichte letztlich noch die Frage nach der ethischen Moral einer unendlichen Gier aufwirft und zu einer Parabel wird: denn wer gibt der durstenden Hyäne schon zu trinken, wenn sie zuvor alles zerstört hat?

Die beiden Frauenfiguren in der Oper: die resolute und schlaue Bäuerin und die fordernde und mahnende Gattin des Managers kämpfen aus unterschiedlichen Motiven letztlich für die gleiche Sache. Die Instanz des Zauberers bündelt die diversen Wünsche und wendet sich mit unerbittlicher Härte gegen den Verursacher des Leids: wer bringt genug Barmherzigkeit auf, um dem Dürstenden zu trinken zu geben? Heilt der Zauberer nur Symptome oder beseitigt er die Ursache?

Die Mehrschichtigkeit des Librettos wird durch beißenden Humor und Selbstironie angereichert – was sich auch auf der musikalischen Ebene widerspiegelt: beim Komponieren war es mir wichtig einerseits der Geschichte und den Figuren Raum zu geben und sie musikalisch in ihrer Aussage/ihrem Charakter/ihren Anliegen zu unterstützen. Andererseits kann durch die Musik eine weitere Deutungsebene hinzugefügt werden, die subtile Untertöne des Textes interpretiert, verändert, lenkt oder verstärkt. Um einer zu offenkundigen Manipulation dabei zu entgehen, schuf ich bewusst eine Klangwelt, die nicht durch ein Lokalkolorit oder Exotismus dem Kongo zuzuordnen ist. Wie eingangs schon erwähnt: diese Geschichte könnte in ähnlicher Form überall auf dieser Welt passieren. Deswegen spielt der Schauplatz klanglich eine sehr untergeordnete Rolle bei meiner Komposition.

Sehr wichtig für meine kompositorische Arbeit sind hingegen die Figurenzeichnung und die (inneren) Widerstände der Protagonist*innen und die Konflikte zwischen ihnen, die ich auch musikalisch mit den Mitteln von Humor und Überspitzung umzusetzen versuche – wie auch immer sich das musikalisch ausdrücken lässt, denn Humor ist eigentlich keine musikalische Kategorie.

Ob diese Oper dabei helfen kann, die Welt zu verbessern? Da würde ich sie in ihrer Wirkung doch gewaltig überschätzen.

Und die Moral von der Geschichte? – Mit Verbündeten gelangt man leichter ans Ziel. Und am Besten kämpft man für die gute Sache, wenn an einer anderen Stelle ein unsichtbarer Hebel umgelegt wird, dessen Existenz man nicht einmal erahnen kann.

Der Zufall spielt wohl immer auch eine gewisse Rolle und wenn man klug ist, erkennt man diesen im richtigen Augenblick und nutzt ihn für sich. Ermutigend ist immerhin, dass der Misserfolg nicht garantiert ist und der Erfolg zumindest möglich scheint. Geht alles schief, kann man wenigstens noch darüber lachen...

Julia Purgina, Sommer 2020