Alois Hofinger

Hofinger, Alois

Theaterdirektor.

05. April 1953 - 12. Juli 2007.

Alois Hofinger, der Direktor des Jugendstiltheaters, ist am 12. Juli 2007 gestorben. Als unternehmungslustiger Aktionist mit kulturpolitischem Willen (und damals als Krankenpfleger bei Dr. Gross voll Widerstandsgeist) weckte Alu Hofinger Anfang der 90er das Jugendstilheater aus seinem jahrzehntelangem Dornröschenschlaf, erfand sich die Rolle des Produzenten und des Theater(- zirkus-)direktors in der allerersten Stunde der freien Opernszene. Er liebte die Oper eigentlich ganz klassisch, lebte in jedem Moment politisch und dachte in allem interdisziplinär. Nur so konnte er unter großem persönlichen Risiko und gegen alle Widerstände das Jugendtiltheater am Steinhof zu dem machen, was es jetzt ist: ein unkonventionelles Haus mit einzigartiger Atmosphäre von Egalität, Idealismus und Spontanität jenseits von allem Kleingeistigen. Weil er Hierachien gegenüber misstrauisch war, führte er sein Theater unhierachisch mit dem für ihn typischen Understatement ohne persönliche Eitelkeit – und jahrelang ohne jede Förderung aus öffentlicher Hand. Trotzdem (trotzig war er!) unterstützte er immer wieder freie Gruppen, die er interessant fand, auf eigene Kosten. Diese existenzbedrohende finanzielle Situation machte ihn zum Generalisten – er konnte alles, er wusste alles, er machte alles, nichts war ihm jemals zu schwer noch zu minder.

Das Jugendstiltheater am Steinhof war sein Lebenswerk, ein Privatschloss, das er mit Theater- und Gesellschaftsutopien so voll stopfte wie nur irgendwie möglich (Fast täglich formulierte er seine Ideen neu und verschickte sie „nach Wien hinunter“ – Kulturpolitiker aller Couleur wissen ein Lied davon zu singen!). Über Theatermenschen, die nicht rechts, nicht links schauten und nur an ihre Produktionen dachten, spottete er. Für ihn war Theater ein Ort, an dem er nicht nur im Umgang miteinander Alternativen zu „draußen“ einforderte, sondern an dem die Kunst gesellschaftlich und politisch werden sollte. Im Fall Jugendstiltheater: die umgebende Psychiatrie und ihre konkrete Geschichte. Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund waren zuletzt seine Familie, er trug ihre Fotos bei sich, besuchte sie am Zentralfriedhof und sah sie in seinem Theater bei Nacht ihren Schabernack treiben. Denn er stand immer auf der Seite der Schwachen, aus Mitgefühl, aus trotzigem Gerechtigkeitsgefühl und Kampfgeist. Er war ein Kämpfer bis zuletzt. Sein Traum, „ein Koproduktionshaus zu sein“ und der Kunst mehr als einen mietbaren Raum zur Verfügung stellen zu können (er träumte von guter Technik, Duschen in den Garderoben, einem Vorhang, einem Proberaum, einem funktionierenden Büro, einem fest angestellten Korrepetitor ...), ist ihm trotz seiner unermüdlichen Angebote und Bemühungen zu Lebzeiten nicht erfüllt worden. Alois Hofinger ist am 12. Juli 2007 gestorben. Schön wäre, wenn er aus dem Himmel über den Steinhofgründen bald auf so ein Theaterparadies hinunterschauen könnte.

Kristine Tornquist, gift 10-11/07

Kunst und Kultur im Krankenhaus

Eine schöne Vorstellung: einundsechzig Häuser und Villen; umgeben von einer schützenden Einfriedung und genährt von einer intakten Infrastruktur; eine ertragreiche Landwirtschaft mit Schweinen, Kühen und Geflügel, eine Fleischerei, eine Selcherei, eine Gärtnerei, eine Wäscherei, eine Großküche, ein Postamt, eine elektrische Zubringerbahn und eine eigene Müllverbrennungsanlage. Die Kirche und die Kegelbahn, die Tennisplätze, das Schwimmbad, den Park und die Bibliothek nicht zu vergessen. Eine eigene kleine Stadt also, am Rande einer Stadt gelegen, und doch kein Ghetto für seine Bewohner.

Ein kühnes Modell für die Behandlung Geisteskranker ist dieses Projekt " Steinhof " - so der Volksmund - fürwahr; eines, das durch Autoren wie Thomas Bernhard oder Elias Canetti sogar in die Literatur eingegangen ist. Daß es zudem aus einer Zeit stammt, die der unseren auf vielfältige Weise voraus war, erstaunt immer wieder. Als man die über 144 Hektar große Anlage zu Beginn unseres Jahrhunderts konzipierte, war das Verständnis für psychisch Kranke mindestens so entwickelt wie heute. Man müßte erst eine Reihe von Reformen hinter sich bringen, um wieder den damaligen Stand zu erreichen.

Und Niveau bewies man im Jahre 1903 nicht nur dadurch, daß man neben Carlo von Boog auch den damals schon prominenten und berühmten Architekten Otto Wagner mit der Planung der Anlage beauftragte. Seine Kirche, die den "Steinhof" und den gesamten Westteil Wiens majestätisch überblickt, zählt nicht nur zu den Höhepunkten seiner Kunst, sondern gilt in der Kunstgeschichte als bedeutendster Sakralbau seiner Zeit schlechthin - wie die Pavillons überhaupt den Wiener Jugendstil auf vielfältige und originelle Weise spiegeln. Jeder einzelne von ihnen fügt sich spielerisch in die streng symmetrische Einteilung des Areals und ist für sich ein Unikat. In den Villen " Leopold", "Wienerwald" oder "Austria" läßt sich die schwere Zeit des Krankseins leichter ertragen - und nicht von ungefähr war hier einst die geisteskranke Verwandtschaft des europäischen Geld- und Hochadels zu Gast.

Respekt für psychisch Kranke zeigte man darüber hinaus, indem man bei der Einweihung von "Steinhof" im sogenannten Gesellschaftshaus auch ein Theater eröffnete. Kunst und Kultur hatten für die Psychiatrie dieselbe Funktion, die sie auch für einen Kurort haben. Mit dem Jugendstiltheater - dem jetzt zehntgrößten Theaterraum Wiens - ist uns ein historisches Erbe überlassen, welches in weniger liberalen Zeiten - zu Anfang der 30er Jahre - eingestellt wurde und anschließend fast fünfzig Jahre lang weitgehend in Funktionslosigkeit verfiel. Zuvor gab es ein reges Kulturprogramm; ein Programmzettel aus dem Jahr 1927 verweist auf die 50. Musiktheatervorstellung. Auf den Programmzetteln ist sogar ein eigenes Anstaltsorchester zitiert.

Erst ab 1979, als die Psychiatrie neue Wege der Behandlung und Öffnung einschlug, wurde das Jugendstiltheater reaktiviert und renoviert. Unsere Definition für "offene Psychiatrie" lautet unter anderem dahingehend, daß sie sich für ein Engagement anderer Geschäftsgruppen der Stadt Wien öffnen sollte. In den letzten Jahren wurde von der Geschäftsgruppe Kultur ein solches Engagement praktiziert. Seither kommen Besucher nicht nur wegen der Otto Wagner Kirche auf die Baumgartner Höhe, auch Konzert- und Opernabende locken Gäste von "draußen" in die einstmals geschlossene Anstalt.

Daß sich auf dem Programm immer wieder die Namen zeitgenössischer Komponisten finden, die sich im stilvollen Rahmen präsentieren, beweist Mut und Selbstbewußtsein. Eigenschaften übrigens, die man auch den ständigen "Bewohnern" der Baumgartner Höhe wünscht und für die man sich konsequent einsetzt. Die Patienten haben zu allen Aufführungen freien Zugang und damit die Möglichkeit zur Teilnahme am kulturellen Leben.
Viele Besucher haben das Bedürfnis, der Innenstadt und der Hektik zu entfliehen und suchen unser Kulturangebot und unser Ambiente gerne auf. Mit der Fahrt auf den Hügel, dem architektonischen Ambiente und einer Opernvorstellung kann man sogar einen Hauch "Bayreuth" verspüren. Die Stadt in der Stadt hat nicht zuletzt durch dieses Theater weit geöffnete Tore. Und von dort ist es nicht weit zu den Herzen.

Alois Hofinger

Alu Hofinger

Am 12. Juli 2007 ist unser langjähriger Förderer und Freund Alois Hofinger gestorben. Sein Lebenswerk war das Jugendstiltheater am Steinhof, ein Privatschloß, das er mit Theater- und Gesellschaftsutopien so vollstopfte wie nur irgend möglich. Er träumte eigentlich von einer Theaterstadt, autonom, aber geschützt durch eine politisch relevante Idee, einer Moral, um die er lange gerungen hat um sie endlich in der Mahnung an den Ungeist des Ortes zu finden. Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund waren seine besten Freunde, zuletzt trug er ihre Fotos bei sich und sah sie in seinem großzügig bestellten Haus ihren Schabernack treiben. Rhetorisch nicht brillant, aber charakterfest und vom einmal betretenen und für richtig empfundenen Weg nicht abzubringen. Nicht mit Drohungen, existenzbedrohenden, nicht mit lukrativen Angeboten. Das Jugendstiltheater hat Alois mit Energie, Geist und Witz zu dem besonderen Haus gemacht, das es jetzt ist. Man spürt nicht nur äußerlich in seiner völligen Unberührtheit, dass das kein Ort ist um Theater abzuwickeln. So wie Alois sich dem das Denkmal seiner Kinder langsam bewachsenden Unkraut, dessen Namen er so oft bezweifelt hat, verwandt fühlte, verpflichtet dieses Haus zu Spontaneität, zu einem Idealismus jenseits aller Kleingeisterei. Alois konnte sich als Kleingeist ausgeben, das wohl, aber aus reinem Vergnügen daran, Kleingeistern aller Couleur einen Spiegel vorzuhalten. Die schwierige finanzielle Situation machte ihn zum Generalisten, er konnte alles, er wusste alles, weder war ihm jemals etwas zu schwer noch zu minder. Immer stand er auf der Seite der Schwachen, aus Mitgefühl und auch aus trotzigem Gerechtigkeitsgefühl und Widerstand, sich den Zuständen einfach zu ergeben. Er war Kämpfer bis zuletzt. Alu, wir danken dir für deine grosszügige Freundschaft.

Kristine Tornquist

Falter | SOWAS