Der Heinrich aus der Hölle

O Jammer über Jammer! Es ist der Heinrich, und er kommt aus der Hölle.

Rudolf II erwacht aus einem Alptraum. Er lässt die Hofleute Hanniwald, Sternberg und Bubna rufen, verwechselt den jungen Mundschenk Bubna aber mit jemand anderem, so wie er es in seinem Verfolgungswahn öfter tut. Erst nachdem Bubna auf Befehl des Kaisers das Paternoster betet, beruhigt er sich. Der Kaiser erzählt seinen Traum, in dem er vom Teufel versucht wird, der ihm prophezeit, dass ihm der geheime Schatz entgehen werde und schreckliche Strafen über das Land kommen werden. Die Vertrauten des Kaisers besprechen, was er dem Abgesandten des Teufels antworten soll. Die Formulierung Hanniwalds gefällt dem Kaiser und er beruhigt sich, erkennt auch den Bubna wieder und geht schliesslich zu Bett.

Der marokkanische Gesandte trifft mit grosser, reich ausgestatteter Gefolgschaft in Prag ein und wird am Hof empfangen. Doch der Kaiser reagiert wieder sonderlich. Er hält den Gesandten für den Heinrich Twaroch, einen ehemaligen Futterknecht in den kaiserlichen Stallungen, der ihm eine Münze gestohlen hat und dann verschwunden ist. Rudolf II wirft dem Gesandten vor, dass er ungläubig sei und aus der Hölle komme. Die Hofleute sind peinlich berührt. Der Kaiser aber lässt sich nicht beirren, er sieht im Gesandten den Abgesandten des Teufels, der nun seine Antwort erwarte. So wiederholt er die Worte des Hanniwald: ich weiche keinen Fingers breit von dem Herrn Jesu. Die Audienz ist beendet.

Abends begibt sich der Gesandte als Handwerker verkleidet zu einem Gärtner am Stadtrand. Dem erzählt er, dass der Kaiser ihn empfangen und als einziger am Hof erkannt habe, - ihn, den einstigen Stallburschen Heinrich Twaroch, den zum Islam übergetretenen Sohn des Prager Gärtners.

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Hurlyburly, Hexen und ähnliches

Einen Text fürs Programmheft bitte. Schreib einen. Schnell. Solche Anrufe kommen immer zu früh. Das Stück nicht fertig. Keine Vorstellung, wie das auf der Bühne sein wird. Gemacht wird. Wirken wird. Zu viele Unbekannte. Trotzdem soll man Monate vor der Aufführung und Wochen vor den ersten Proben etwas Passendes schreiben, das Sie in der Ihnen zufallenden Rolle als Publikum jetzt in Händen halten und Ihnen helfen soll, dieses Hurlyburly, das Ihnen in Kürze bevorsteht, annähernd verfolgen zu können. Verstehen wär noch besser. A ja: helfen, Hurlyburly – wieder mal Glück gehabt. Der Alte aus Stratford-on-Avon ist immer ein Rettungsanker. Wenn es ihn überhaupt gegeben hat. Egal. When the hurlyburly´s done.

Drei Hexen. Die helfen immer zu reflektieren. Die haben unbestritten Vorteile dabei. Keiner traut ihnen. Sie sind immer in der Nebenrolle. Sie haben nie eine gesellschaftliche Stellung und damit Bedeutung für die Handlung. Können alles sagen. Keiner nimmt sie ernst. Höchstens wenn es ohnehin schon zu spät ist. Und doch ist ihr Kommentar ein unüberhörbarer. When the battle´s lost and won.

Die Geschichte: klassisch. Ein Mad King. Herrscher. Psychisch labil. Unberechtigte Angstzustände. Verfolgungswahn. Einen engen Verwandten als zu allem entschlossenen Neider. Dankbar dramaturgisch, aber als Sujet abgegriffen. Da muss man durch, bei Perutz sich zu beschweren ist zwecklos. Sowieso: Vielleicht hat er ja selbst darunter gelitten. Auch klassisch: Lauter Bücklinge und Intriganten um den Verrückten. Macht ist verführerisch, gerade dann, wenn der, der sie hat mehr mit seinen Psychoproblemen als mit allem anderen beschäftigt ist.

Da kommt die erste Hexe. So ein Glück. Handlungsmäßig. Heinrich mit Namen. Was finge Rudolf mit seinen Angstzuständen an, wenn ihm der Handlungsverlauf keinen Grund dafür gäbe. Ein gesellschaftlicher Ausreißer mit gutem Grund: Kleinkriminellenkarriere, folglich Flucht in die weite Welt und noch dazu in Lug und Trug. Protzige Kleider. Viele Frauen. Die Metropolen der Welt. Nur die teuren Autos fehlen. Trotzdem oder gerade deshalb: Die Mächtigen setzen auf ihn. Politische Karriere. Eigentlich auch abgegriffen. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Hauptsache: Auch der Hof des irren Kaisers geht ihm auf den Leim. Fair ist foul, and foul is fair.

Die Welt steht Kopf letztendlich. Ende: alles gut. Die Hexe ist natürlich kein satanischer Bote, eben nur der Hochstapler. Der Kaiser gar nicht so daneben, wie es scheint. Und die Bücklinge werden endlich zu den Hexen, die sie ohnehin seit jeher sind. Nur so falsch und verlogen sind sie nicht mehr.

Nur ein Haken: Hexen gibt’s im Libretto gar nicht. Was soll´s. Also bitte. Ein Text fürs Programmheft. Wem es hilft.

Gernot Schedlberger