Oper in Wien, 09.05.2010, Dominik Troger

Von Blumen und Liebe

An der Kammeroper kann man derzeit einen Ausflug ins Jahr 1710 buchen. „Il Nascimento dell‘ Aurora“ von Tomaso Albinoni erzählt reizvoll von Blumen, Liebe und einem sehnsüchtig erhofften Thronfolger.

Eine „Oper“ im klassischen Sinne ist es nicht, sondern eine „Festa pastorale“, komponiert zum Geburtstag von Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, Gemahlin des späteren Kaisers Karl VI. Der Inhalt ist rasch erzählt: Apollo, Peneo, Dafne, Zeffiro und Flora bereiten eine Huldigung für Aurora vor. Dabei wird vor allem Dafnes Sprödheit thematisiert und ihr die kecke Flora gegenübergestellt. Das Werk endet mit der bekannten Verwandlung Dafnes in einen Lorbeerbaum.

Das Werk diente nicht nur der Huldigung des Geburtstagskindes – es sollte die Geehrte auch anregen, endlich für Nachkommenschaft zu sorgen. Ein Thronfolger wurde dringend gewünscht, um die politischen Machtverhältnisse im Spanischen Erbfolgekrieg zu stabilisieren. Kein Wunder also, wenn man in der spröden Dafne Elisabeth zu erkennen vermeint, die in musikalisch rührend gestalteter Selbstaufgabe Herrscherhäupter bekränzenden Lorbeer gebiert.

Bis es so weit ist, entblättert sich vor den Augen der Besuchern barocke Blumensymbolik, im Text eifrig beschworen und auf der Szene humorvoll ausgesät. Die Sprache der Blumen ist doch nach wie vor die Sprache der Liebe – die Rose, das Veilchen, der Jasmin. Das Regieteam um Kristine Tornquist beließ den Doppeldeutigkeiten ihren (gärtnerischen) Kontext: das begann bei den phantasievollen Kostümen, die Symbolik der Figuren nach außen wendend – beispielsweise Peneo mit dem Schiff als Hut, Apollo mit Pfeil und Bogen, Flora mit dem Blütenrock, Zeffiro mit einem Federkleid. Dafne schien schon am Beginn zur Schwangerschaft gereift, die Lorbeergebärerin.

Die Bühne war weitgehend leer belassen worden, vom Licht mal eher Pink, mal eher Orange gehalten, links eine Loge in der – eine nette, verständnisvolle Zugabe der Regie – Elisabeth selbst Platz nahm, beredt, aber stumm, die Aufführung verfolgend. Gleich am Beginn wurde ihr ein großes Ei überreicht, das quer durch das Orchester gewandert war, von Streicherhand zu Streicherhand weitergegeben, Welten-Ei und Fruchtbarkeitssymbol. Im großen Ei versteckten sich mehrere kleine – dynastische Familienaufstellung als symbolischer Wunsch.

Ein Säulenpodest diente den Sängern als Podium – für die sich verwandelnde Dafne gab es natürlich einen Baumstumpf. Eine blaue Stoffbahn war der Fluss, und bei Dafnes Verwandlung verwandelte sich die Bühne in einen großblättrigen, grünen Kulissengarten. Die Personenführung vermittelte den zeremoniellen Anlass, ohne dabei statisch oder pathetisch zu wirken. Meist waren irgendwelche Gegenstände im Spiel, Blumen für Flora, ein Schmetterling für Zeffiro etc. mit denen die Arien pointiert aufgelockert wurden, zugleich ihren symbolischen Gehalt verdeutlichend. Bestimmend war eine unschuldig-lustvolle Fröhlichkeit, die sich mit angenehmer Entspannungswirkung auf das Publikum übertrug.

Albinonis Musik zeugte von großer Könnerschaft, trotzdem war der Teil vor der Pause eine Spur zu lange. Charakter gewann der Abend erst bei Dafnes Verwandlung und Apollos Lorbeer-Würdigung, wenn die „Pastorale“ sozusagen zur „Oper“ wird und die Ebene eines sehr hübschen, aber mehr tändelnden Diskurses über die Spielarten die Liebe verlässt.

Das Schöne an so kleinen Opernhäusern ist, dass die Stimmen im Gesang ihre Natürlichkeit bewahren. Die Kammeroper bot ein junges, an Barockmusik erprobtes Ensemble auf, das viel Frische verströmte: allen voran Krisztina Jónás als Dafne, herzrührend im Verwandlungsgesang, mit klarem, verinnerlichendem Sopran. Solmaaz Adeli steuerte ihre frische Mezzo-Stimme bei, ein bisschen frivol, durfte sie schon sein, während Zeffiro (Gerhard Hafner) manchmal in die Blütenpracht Floras hineinfuhr, so wie kühler Herbstwind über eine Sommerwiese. (Hafners Stimme klang bemerkenswert „sopran-nah“, mit einem manchmal etwas schneidenden, charakteristischen Timbre.) Armin Gramer sorgte als Apollo für eine innig gestaltete Lorbeer-Benennung, Wilhelm Spuller war mit seinem Tenor ein manchmal etwas unruhiger dahinströmender Flussgott.

René Clemencic und der Clemencic Consort realisierten die Partitur spannungsvoll und elegant, sie waren die Nabe im Rad dieses barocken Blumenkorsos.

Das Publikum war sehr zufrieden und spendete viel Applaus. Wer einen liebe- und lustvoll gestalteten Opernabend erleben möchte, dem ist „Il Nascimento dell‘ Aurora“ ohne Einschränkungen zu empfehlen.

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