Tanz.at, 03. Juni 2010, Edith Wolf Perez

Keusche Leidenschaft

Die Wiener Kammeroper bietet mit ihren Inszenierungen selten aufgeführter Barockopern immer wieder einen frischen Blick auf das frühe Musiktheater-Genre. Der Regisseurin Kristine Tornquist und dem musikalischen Leiter René Clemencic ist mit „Il Nascimento dell’Aurora“ eine vergnügliche und doch wohl überlegte Wiederbelebung von Tomaso Albinonis Festa pastore gelungen.

Die Handlung ist ebenso schlicht wie – auf den ersten Blick – nichtssagend. Fünf mythische Gestalten übertreffen einander beim Besingen des Geburtstags der Morgengöttin Aurora. Mit zahlreichen Arien überbieten Apollo, die Waldnymphe Dafne, der Windgott Zeffiro, die Blumengöttin Flora und der Flussgott Paneo einander mit ihren Geschenken für Aurora. Dazwischen buhlt Apollo um die Liebe von Dafne, die sich aber sehr keusch und zugeknöpft gibt und sich erst allmählich für das Werben des Gottes erwärmen wird.

Kristine Tornquist hat aber hinter den harmlosen Schein geblickt, und die Entstehungsgeschichte und ihr politisches Umfeld wie beiläufig eingebaut. Elisabeth, die Ehefrau des späteren Kaisers Karl VI ist nach zwei Jahren Ehe noch immer kinderlos. Der Venezianer Albinoni erhielt also von seiner Stadt den Auftrag eine Oper für die junge Frau zu schreiben. „Im Text des unbekannten Librettisten wird sozusagen unverblümt durch die Blume davon gesprochen. Nichts im Text ist beliebig, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so aussieht. Diese Festmusik ist als anregende Hilfestellung und auch als Ermahnung an die junge Ehefrau gedacht“, schreibt Tornquist im Programmheft.

Die Regisseurin folgt der barocken Tugend der Anspielung und stellt den historischen Zusammenhang dezent und doch wirkungsvoll her. Elisabeth kommt zu Beginn herein und bekommt vom Orchester das Geschenk des Komponisten überreicht – ein Ei, das wie eine Babuschka viele kleinere Eier enthält. Das kleinste enthält ein Püppchen. Von der fürstlichen Loge aus verfolgt Elisabeth aufmerksam „ihre“ Oper und ist als Vorbild für die spröden Dafne sichtbar. Mit diesem Kunstgriff wird auch verständlich, dass die Aurora-Verehrung mitten im Stück plötzlich auf Elisa ausgedehnt wird. Wenn Dafne sich am Ende den Göttinnen opfert und in einen Lorbeerbaum verwandelt, erkennt Elisabeth ihre Schwangerschaft.

Das pastorale Treiben haben Duncan Hayler (Bühne) und Markus Kuscher (Kostüme) mit bezaubernden Requisiten und Blumenapplikationen ausgestattet, die das Geschehen auf der Bühne lebendig machen und die Bilderbuchatmosphäre verdichten.

Die Stimmen entsprechen der barocken Aufführungstradition: Zeffiro und Apollo werden von den bestechenden, jungen Kontertenören Gerhard Hafner (Sopran) und Armin Gramer (Altus) gesungen. Dafne und Flora sind mit Krisztina Jónás (Sopran) und Solmaaz Adeli (Mezzo-Sopran) ebenfalls ausgezeichnet besetzt. Der Tenor Wilhelm Spuller gab mit der Rolle des Paneo sein Bühnendebut und überzeugte vor allem durch sein lebhaftes Spiel.

Im Orchestergraben sorgte das Clemencic Consort für den eleganten Ton.

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