Der Falter - 19. Dezember 2012, Heinz Rögl

MarieLuise: Siamesische Zwillinge machen Politik in einer neuen Oper im Palais Kabelwerk

In einer aufgelassenen Wäscherei auf den Otto Wagner-Gründen proben zwei Frauen und Männer in weissen Kitteln, sie stellen Ärzte und Wissenschaftler dar. Ab Silvester werden sie im Kabelwerk in MarieLuise zu sehen sein, einer neuen Kammeroper von Gernot Schedlberger.

Das Libretto schrieb die 47jährige österreichische Autorin und Regisseurin Kristine Tornquist, die in den vergangenen Jahren mit dem sirene Operntheater in der Ankerbrotfabrik grandiose Aufführungsserien gestaltet hat, darunter in mehreren Uraufführungen Nachts unter der steinernen Brücke von Leo Perutz oder Geschichten aus 1001 Nacht.

In MarieLuise geht es um siamesische Zwillinge. Sie teilen sich zwei Beine und zweieinhalb Arme, aber sonst ist jede von ihnen eine eigenständige Persönlichkeit. Marie und Luise engagieren sich in einer Partei. doch in der Politik sind sie mit den Mechanismen der Macht konfrontiert. Als Luise zulässt, dass sie gegen Marie ausgespielt wird, geht diese in Opposition. Die friedliche Koexistenz ist unmöglich geworden, die Trennung von MarieLuise in Marie und Luise steht auf dem Plan.

Wie kommt man zu einem Libretto über siamesische Zwillinge? Das ist ein wenig zum Lebensthema von mir geworden, sagt Tornquist. Ich habe es immer wieder vorkommen lassen und sogar einen Roman angefangen, bei dem ich bis zur Seite 40 gekommen bin. Und dann habe ich mir gedacht, ich mache ein Libretto daraus. Die Autorin fasziniert an diesem Thema, dass zwischen zwei Menschen völlige Übereinstimmung herrscht.

In MarieLuise geht es aber nicht nur um Zwillinge, sondern vor allem um Politik. Um Parteienhader, Intrige und Opposition. Wie leben Menschen zusammen, wie funktioniert es, dass sie sich nicht entzweien?, fragt Tornquist. Bezogen auf Politik hiesse das: Wie ist möglich, miteinander zu kooperieren? Aber die Politik ist in Wirklichkeit das Gegenteil davon. Und das stellen wir gegeneinander.

Am Ende kommt es zur Trennung, es geht tragisch aus. Schedlberger wollte einen bösen und traurigen Schluss. Und die Musik? Die ist geradezu wagnerianisch.

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