Kleine Zeitung, Nachtkritik, 28. Juli 2017, Helmut Christian Mayer

Die Geschichte einer starken Frau mit Untermalungsmusik (Langfassung hier)

Ossiach: Uraufführung der Kirchenoper „Hemma - eine Weibspassion“ von Bruno Strobl (Musik) und Franzobel (Text) in der Stiftskirche beim Carinthischen Sommer.

Es ist eine starke Geschichte über eine starke, ungewöhnliche Frau. Es ist ein explosives Stück über die einzige Landesheilige von Kärnten, über Glaube und Weiblichkeit, angesiedelt im Hochmittelalter und dennoch sehr heutig, eine moderne Auseinandersetzung mit dem Lebenssinn und Gott.

Franzobel zeichnet Hemmas Passion bis an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit. Erst kämpft sie um die Kinderlosigkeit, dann muss sie erleben, wie ihr Sohn von aufständischen Knappen massakriert wird. Schließlich muss sie mit ansehen, wie er Gatte an den Einwohnern von Gurk böse Rache nimmt und dann auch umkommt.

Kristine Tornquist, eine ausgesprochene Spezialistin für alternative Spielorte, setzt sie in einer sehr reduzierten Ausstattung durchaus packend um und nützt die gesamten Kirche als Spielraum.

Um die Schutzpatronin Kärntens hat der österreichische Autor Franzobel ein Beziehungsgeflecht aus Liebe, Glauben, Aufopferung, Hochmut, Verrat und Eifersucht gewebt.

Die Musik dazu schrieb der Kärntner Komponist Bruno Strobl. Die Titelrolle singt Juliette Mars, die zuletzt in „Hoffmanns Erzählungen“ an der Wiener Volksoper zu hören war. Graf Wilhelm von Friesach ist der Bass-Bariton Andreas Jankowitsch, der sowohl im Musiktheater als auch in der Sakralmusik zu Hause ist. Regie führt Kristine Tornquist. Am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters steht Simeon Pironkoff, Gründer des Ensembles PHACE.

Exzellent ist das Sängerensemble: Juliette Mars kann als intensive, selbstbewusste Titelheldin Hemma von Gurk begeistern, die ihre Seelenqualen grandios auslotet und sich schließlich zur Heiligen wandelt. Julia Koci ist die blitzsauber singende Magd Kathi, die immer wieder vom genussüchtigen Grafen Wilhelm von Friesach, dem Ehemann von Hemma, missbraucht wird. Dieser wird von Andreas Jankowitsch ungemein viril, brutal und exzessiv gestaltet. Sven Hjörleifsson mimt nicht nur deren beider verweichlichten Sohn sondern auch den etwas dümmlich wirkenden Erzbischof mit hellem Tenor. Jens Waldig singt ideal Kathis Vater.

Während alle Sänger und der achtköpfige Festivalchor wunderbar hörbar und textverständlich, überwiegend deklamatorisch und teils nur im Sprechgesang zu hören sind, tritt die recht kopflastig und geräuschreich konstruierte Musik von Bruno Strobl im Orchester ziemlich in den Hintergrund. Sie spielt mit ihren Klangflächen, Klangreihen und Fragmenten in der etwa 90 minütigen Dauer des Werkes meist nur eine untermalende und kommentierende Rolle.

Es ist bewundernswert, wie souverän und konzentriert dabei das klein besetzte Kärntner Sinfonieorchester unter dem ganz exakt schlagenden Simeon Pironkoff diese enorm diffizile Aufgabe bewältigt. Jubel!

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