Hirlanda - durch falschheit zu feir verdamte unschuld

Hirlanda, Fürstin der Bretagne, wird durch ihren machthungrigen Schwager Gerald in Abwesenheit ihres Mannes, Fürst Artus, in Verdacht gebracht und verstoßen, der neugeborene Prinz, dessen Blut den abergläubischen kranken König von England heilen soll, kann aber vom Abt Pertrandus gerettet werden. Hirlanda verbringt 7 Jahre in Armut, bis der treue Ritter Olifa den Verdacht ausräumen und sie wieder an den Hof zurückbringen kann. Doch kurz darauf beginnt Gerald aufs Neue sein intrigantes Spiel und schürt die Zweifel Artus´ an seiner Frau. Ihr zweites Kind wird im Wald ausgesetzt und sie selbst soll am Scheiterhaufen sterben. Doch in letzter Sekunde, auf Wink eines Engels, tritt der junge Prinz an, um seine Mutter zu retten. Sein Sieg im Fechtkampf mit dem Ritter Filander beweist Hirlandas Unschuld, und Gerald und seinen Helfern wird blutrünstig der Prozeß gemacht, der damit endet, daß Teufeln erscheinen, um die Seelen in die Hölle zu holen. Artus übergibt die Krone an seinen wiedergefundenen Sohn und beschließt, sein Leben als Büßer in der Wüste zu beenden. Hirlanda schließt sich ihm an.

Aut prodesse volunt aut delectare poetae/ aut simul et iucunda et idonea dicere vitae (Belehren wollen die Dichter oder erfreuen oder zugleich Unterhaltsames und für das Leben Nützliches sagen) - dieser berühmte Satz des römischen Dichters Horaz (Ars Poetica 333f.) hat ungeachtet seines zeitlichen Abstandes auch für das Stück "Hirlanda" Gültigkeit, das ungefähr 1800 Jahre später in der Markuskirche der Südtiroler Gemeinde Laas im Vinschgau aufgeführt wurde: Trotz seiner insgesamt 45 Szenen und einer geschätzten Spieldauer von sieben Stunden scheint es so großen Anklang gefunden zu haben, daß es innerhalb eines Monats acht Mal auf die Bühne gebracht wurde.

Nicht unwesentlich zu diesem Erfolg scheint beigetragen zu haben, daß der Autor auf eine reiche Tradition des Volksschauspieles zurückgreifen konnte, das sich in Tirol großer Beliebtheit erfreute. Auch in anderen Stücken jener Epoche finden sich beispielsweise Hanswurstiaden, die ohne inhaltlichen Bezug zur Haupthandlung bloß der Unterhaltung dienten, oder musikalische Einlagen; das Laaser Spiel umfaßte auch Rezitative und Arien, deren Noten zwar nicht erhalten sind, die aber die jambischen Reimverse der Sprechpartien auflockerten.

All dies sowie die Bezeichnung des Stücks als Comedia, was nichts anderes als ein Schauspiel mit gutem Ausgang meint, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß man sich in einer Zeit politischer Spannungen und gesellschaftlichen Wandels befand: 1791, ein Jahr nach seiner Krönung, sah sich Kaiser Leopold II. mit dem schwierigen Erbe seines Vorgängers, Josef II., konfrontiert, der u. a. durch die Aufhebung aller Klöster, die sich nicht mit Krankenpflege und Jugenderziehung beschäftigten, das Reich im Sinne der Aufkklärung umgestaltet und damit in seinen Ländern offenen Aufruhr provoziert hatte. Noch war der Krieg gegen die Türken nicht beendet, die Österreichischen Niederlande hatten sich für unabhängig erklärt, die Auswirkungen der Französischen Revolution auf das Habsburgerreich waren nicht abzusehen. So ist es vielleicht nicht ohne Bedeutung, daß der Autor, Johannes Ulrich von Federspill (1739 -1794) aus Laas, für sein Stück ein Sujet gerade aus der französischen Stoffgeschichte wählte, und noch dazu eines, das schon früher der Jugend im Rahmen katholischer Erziehung als moralisches Exempel vor Augen gestellt worden war: Bereits im Jahr 1640 hatte der französische Jesuitenpater René de Cériziers (1603 -1662) mit seinem Roman "Les trois estates de l´inocence affligée dans Jeane d´Arc, reconnue dans Géneviève de Brabant, couronée dans Hirlanda, duchesse de Bretagne" die Figur der bretonischen Herzogin Hirlanda erstmals einem breiteren Publikum bekant gemacht.

Die von ihm angegebene Quelle, eine Handschrift aus Autun, ist - falls sie tatsächlich existierte - verschollen. Als weitere Vorlage gilt das bretonische Mysterienspiel "Saint Tryphine et le Roi Arthur", erstmals angeblich 1420 in Paris aufgeführt. Cérziers´ Version der Geschichte und der Name der Heldin, Hirlanda, wurden für die Folgezeit normativ, wenn auch jede Gestaltung in den Details abweicht.

Toni Bernhart im Interview mit Dorothea Weber (kulturelemente)