Jesuitentheater

Nach Abschluss der langjährigen Restaurierungsarbeiten wird am 14. Mai 1998 im Rahmen eines Festaktes die Universitätskirche Wien "wiedereröffnet". Unser Unternehmen, ein Spektakel der Sinne in der Tradition des barocken Jesuitentheaters, ist dieser Eröffnung verpflichtet.

1996 entdeckte der Südtiroler Schriftsteller Toni Bernhart in Laas im Vinschgau (Südtirol) die Handschrift des spätbarocken Mysterienspiels "hierländä. durch falschheit zu feir verdamte unschuld" aus dem Jahr 1791. Geboren hat die Figur der bretonischen Herzogin Hirlanda der französische Jesuit René de Cériziers (1603-1662) in seinem Roman "Les trois estates de l'innocence affligée dans Jeanne d'Arc" (1640).

Rennes 1550. Hirlanda wird in Abwesenheit ihres Mannes Artus Opfer der Intrigen ihres machtgierigen Schwagers Gerald; dieser lässt ihren eben geborenen Sohn entführen. Denn der englische König liegt im Sterben und kann vor "Fäulnis" nur gerettet werden, wenn er im Blut eines ungetauften adeligen Kindes badet und sein noch warmes, zitterndes Herz isst. Hirlanda wird gesagt, sie habe die missgestaltete Frucht eines Ehebruchs zur Welt gebracht.

In letzter Sekunde wird das Kind von Abt Pertrandus gerettet und aufgezogen. Bei seiner Heimkehr erfährt Artus von der angeblichen Untreue seiner Frau und verurteilt sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Durch ein Gottesurteil taucht im letzten Augenblick der kleine Prinz auf...

Was seit 1997 begonnen hat, ist die Geschichte des Laaser Textes mit unserer Kirche, die mehr und mehr einander darzustellen verlangten. Die "Szenographie" der barocken Kirche (Innenarchitekt Andrea Pozzo SJ - Fertigstellung 1705) ist die Grundlage, auf welcher der Hirlanda-Stoff dramatisch hervorgebracht wird.

Den Text von 1791, die "Textur" der Kirche und die Kirche als Verkündigungsort der Jesuiten heute zu verbinden, setzt sie Regie unter Druck. Verstärkt wird dieser Druck durch den Bezug auf Rahmen, die der Text vorgibt - Rahmen, die nicht nur festlegen, worüber gesprochen wird (über Gute und Böse zum Beispiel), sondern auch, zu welchem Zweck darüber (über Gute und Böse) gesprochen wird.

Kristine Tornquist unternimmt "Unmögliches": eine Welt zu inszenieren, die erst durch Himmel und Hölle in Gang kommt: durch Christus und die Seele (Hierlandas), durch Luzifer und seine Teufel.

Jury Everhartz schreibt eine Schauspielmusik, die im Sinne des theatrum mundi wesentlicher Bestandteil der theatralischen Aktion ist und nur dort "als Musik" in den Vordergrund tritt, wo sie keine ist (Hölle). Der "Metakontext" der Hirlanda-Musik ist wiederum die Kirche selbst; als Schauspielmusik erweitert sie den Raum und ist "Schatten" der Regie.

Hannes Benedetto Pircher in entschluss 5/98 | Presse | Jesuitentheater im deutschsprachigen Raum