Eine Warnung

Gleich vorweg eine Warnung.

Jeanne & Gilles ist keine historische Nacherzählung aus dem Hundertjährigen Krieg. Das wäre auch gar nicht möglich, selbst Historiker sind sich über die beiden Protagonisten nicht einig. Was man weiss, stammt vorwiegend aus den drei politischen Schauprozessen, in deren zwei über Jeanne d’Arc und im dritten über den französischen Adeligen Gilles de Rais befunden wurde - und ist deshalb selbst bereits Fiktion. So weiss man über diese beiden aussergewöhnlichen Figuren der Weltgeschichte wenig, Vermutungen umschwirren sie jedoch wie Bienenschwärme - wer sie gewesen sein können und sollen hat immer viel mit der Epoche selbst zu tun, die sich mit ihnen beschäftigt hat.

Als ich im Zuge einer Recherche zufällig auf diese beiden extremen Persönlichkeiten stiess, packte mich selbst eine amour fou beim Gedanken, diese zwei antagonistischen Symbole des Krieges zu verbinden - in einer ebensolchen amour fou.

Wie Schwarz und Weiss erscheinen sie aus dem Abstand von sechshundert Jahren im Kontrast - die unschuldige Kriegstreiberin und der fromme Mörder. Kommen sie nicht nebeneinander und durcheinander erst so richtig zur Geltung? Wenn die Psyche in der Irrationalität des Krieges entfesselt wird, ist es nur ein kleiner Schritt vom Heiligen zum Teuflischen und umgekehrt. Heldenmut, Todesverachtung, Wahnsinn und Verblendung bis zum Blutrausch finden sich in enger Umarmung. Der Krieg hat einerseits die revoltierende Kraft, eine Bauerstochter und einen Hochadeligen auf Augenhöhe zu bringen, und zerschmettert andererseits, wenn die Todsünde des Tötens plötzlich zu einem gottgewollten Gebot werden soll, alle moralischen Gewissheiten. Jeanne und Gilles gehen ihren einander nur kurz tangierenden Weg alleine zu Ende. Die delirierende Kriegerin hält sich für unbesiegbar und gerät deswegen in einen Hinterhalt. Auch vor dem feindlichen Gericht macht sie keine Kompromisse. Und der fromme Gilles, der schön wie ein Engel beschrieben wird, endet ausgestossen aus der Gesellschaft, verurteilt als Massenmörder, unsterblich als La Barbe Bleue - der böse Ritter Blaubart mit den Leichen im Turmverliess.

Eine amour fou ist keine vernünftige Angelegenheit, es ist auch nicht bedeutsam, wie sie ausgeht, es zählt nur der Moment. Im Nachhinein greift sich der Verstand an den Kopf: wie konnte das passieren? Die Geschichte, in die ich mich verliebte, zeigt sich störrisch, einen einfachen Sinn hat sie nicht anzubieten. Sie ist wie ein erschreckender und unbegreiflicher Traum, der in den klaren nüchternen Tag hinein weiterwirkt.

Kristine Tornquist