Die Kulturwoche, 17.06.2009, Katja Kramp

Die Sarabande - die Premierenkritik

Dreimal durfte ich jetzt schon das Festival "Nachts" des sirene Operntheaters erleben. Drei Aufführungen, drei verschiedene Komponisten, drei verschiedene Interpretationen der Kurzgeschichten aus "Nachts unter der steinernen Brücke" von Leo Perutz und dreimal begeistert, überrascht und froh dabei gewesen zu sein. Diesmal stand "Die Sarabande" am Programm.

Alles beginnt als Geschichte in der Geschichte. Mit dem mächtigen Buch unterm Arm betritt Rabbi Löw zu einleitend, ruhigen Klängen die Bühne. Dann winkt er in die verschiedenen Himmelsrichtungen und diverse grau gekleidete Schauspieler kommen aus allen Ecken des Raumes, beladen mit großen Taschen, um sich vor des Rabbis Schreibpult niederzulassen und seiner Geschichte zu lauschen.

Es geht um den venezianischen Grafen Collalto und den kroatischen Baron Juranic. Sogleich beginnen die Schauspieler in Grau, sich zu kostümieren und in die Rollen der Geschichte zu schlüpfen. Beide sind auf ein Fest eingeladen und haben ein Auge auf dasselbe Mädchen geworfen. Dieses ist vom Baron ziemlich nachts-sarabande05angetan und tanzt den ganzen Abend mit ihm. Das veranlasst den Grafen, von Eifersucht getrieben, dazu, dem Baron beim Tanzen ein Bein zu stellen. Es kommt zu einem Streitgespräch, das darin gipfelt, dass man sich zum Duellieren im Park verabredet. Der Graf verliert haushoch, denn der Baron ist ein unschlagbarer Fechter. Ängstlich fleht der Graf um sein Leben, welches ihm der Baron lassen will, wenn dieser die ganze Nacht tanzend vor ihm herlaufen würde. Dem Grafen bleibt nichts anderes übrig als um sein Leben zu Tanzen. Er muss nun tanzend vor dem Baron und seinen zwei Dienern die Stadt durchqueren. Jedoch sind die Diener so fromm, dass sie vor jeder christlichen Statue niederknien um zu Beten. Das verschafft dem erschöpften Grafen immer wieder eine Pause. Als der Baron diesen Umstand bemerkt führt er den Zug in die Judenstadt, wo es keine christlichen Bilder gibt. Völlig erledigt schreit der Graf dort um Hilfe. Der Rabbi erscheint und zaubert ein Bild an die Hauswand. Alle sinken zu Boden, auch der Baron. Er erkennt aufgrund des Bildes, ein Ecce Homo, wie grausam er gewesen ist. Das Bild an der Hauswand zeigt aber kein christliches Motiv, sondern die Leiden des Judentums.

Eindrucksvoll umgesetzt auch dieses Mal wieder das Bühnenbild und die Kostüme. Angefangen bei den großartigen, historisch anmutenden Kostümen der beiden Hauptdarsteller: Der Baron im Rock und Pluderhosen, farblich in Oliv gehalten und die Kniebundhose umgenäht aus Armeebeständen. Dann, der Graf, eine tuffige Gestalt in hellblau mit rosa Plüschkranz um den Ausschnitt, lila Turban sowie einer Perlenkette. Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Auf der einen Seite der maskuline Krieger und auf der anderen Seite ein kauziges Kerlchen mit Hühnerbrust. Die Bühne lässt ebenfalls nichts zu wünschen übrig. Erneut sehr reduziert, wird hier mal wieder aufgezeigt, dass es nicht viel Material braucht um einen eindruckvollen Opernabend zu gestalten. Auf der Bühne steht eigentlich nur das Lesepult des Rabbis, daran befestigt sind diverse Seile, an denen Requisiten ins Geschehen heruntergelassen werden können. Dieser Rabbi hält die Fäden in der Hand und alles läuft bei ihm zusammen. So wird ein Gitter mit bunten Glühbirnen zur Tanzflächenbeleuchtung und herabhängende Plastikeimer Teil einer Heiligenstatue. Was vielleicht etwas nach Schülertheater klingt, hat damit allerdings nichts zu tun, denn diese Bühne wirkt viel zu durchdacht als das sie einen derart etwaigen Vergleich verdient hätte.

Das gezauberte Ecce Homo ist ebenfalls gut umgesetzt worden. Eine kleine Leinwand wird per Seilzug herabgelassen und darauf erscheinen Ausschnitte aus verschiedenen Portraitfotos. Meist sind nur Augen zu sehen, aber jeder erkennt, dass es die Augen jüdischer Menschen sind, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Und die Musik. Zeitweise transportiert sie die heilige Stimmung unter den Gefolgsleuten, denn einerseits dominieren die tieferen Töne und andererseits ergibt sich ein Sprechchor der Gebete durch Ensemble und Orchester. Auch auf dem Orchesterpodest geht es reduziert zu. Es spielt eine kleine Formation aus einigen Streichern und ein paar Holz- und Blechbläsern. Und endlich hat ein "Nachts-Komponist" eine Fagottstimme mit in die Oper einbezogen.

"Die Sarabande" ist der vierte Geniestreich aus der 9-teiligen Opernreihe des sirene Operntheaters in der ehemaligen Ankerbrotfabrik. Wer jetzt noch nicht dabei war und mal wieder eine gute Operninszenierung sehen möchte, der sollte sich schleunigst zur nächsten Premiere aufmachen.

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