Die Kulturwoche, 03.06.2009, Katja Kramp

Der entwendete Taler - die Kritik

Beeindruckend! Das ist das erste was einem zum zweiten Abend der Opernreihe "Nachts!" einfällt, die Kristine Tornquist als Librettistin nach Kurzgeschichten von Leo Perutz erarbeitet hat. Vor fast ausverkauftem Haus wurde bei der Uraufführung von "Der entwendete Taler" die riesige Fläche der Expedithalle der ehemaligen Ankerbrotfabrik bespielt und besungen.

Sobald die Phrase "Opernuraufführung" auftaucht, wirft man schnell mal mit Vorurteilen um sich. Oh, Gott, das ist "Neue Musik", die quietscht doch nur, das kann sich doch keiner anhören. Um Himmels Willen, Spielort "Fabrikhalle", wer soll denn da gescheit singen. Wenn man so denkt, dann verpasst man allerdings im Falle des Festivals Nachts einiges.

Der Handlungsverlauf der Geschichte lässt an ein Märchen von Oscar Wilde denken, und ist doch von Leo Perutz. Der junge Erzherzog Rudolf II. verirrt sich allein im Wald. Dort trifft er auf zwei Gestalten, die einen großen Schatz bewachen. Auf seine Nachfrage geben sie an, dass der Schatz dem Mordechai Meisl gehöre. Der Erzherzog will nun ebenfalls einen Anteil erhalten und nimmt sich einen Taler. Ihm wird noch gesagt, dass er den Taler ruhig behalten solle, denn von nun an wird ihm nur Unglück widerfahren, bis das Goldstück wieder in den Händen vom Mordechai Meisl ruht. Dann sind plötzlich beide Gestalten verschwunden und Rudolf kehrt zu seinem Palast zurück. Dort passieren dann tatsächlich nur Dinge, die Rudolf fast verzweifeln lassen. Er beschließt den Taler unter die Leute zu bringen, um ihn zu Mordechai Meisl zurückzubringen, denn niemand kennt diesen. Rudolf lässt den Taler eine Brücke hinabfallen und verfolgt nach und nach die Menschen, die ihn bei sich tragen. Letztendlich wird er unbemerkt in der Tasche eines Fischermantels einem Lumpenhändler verkauft. Im Laden sieht Rudolf wie ein kleiner Bub hereinkommt. Dieser bezahlt dem Lumpenhändler zwei Dickpfennige damit er die neu gebrachten Kleider durchstöbern kann. Er darf alles behalten, was sich in den Taschen befindet. Schließlich findet der Junge den Taler und läuft erfreut aus dem Laden. Rudolf erfährt hingegen, dass der kleine Junge den Namen Mordechai Meisl trägt.

So märchenhaft geht es nicht nur in der Geschichte, sondern auch in Inszenierung und Musik zu. Oskar Aichinger, Komponist dieses Opernfragments, hat wirklich schöne, eindrucksvolle Musik für ein stark reduziertes Orchester, das ohne Blechbläser auskommt, geschrieben. Man hört die Goldtaler praktisch durch die Musik klimpern, wenn die Goldpapierkreise als Requisite durch die Luft fliegen. Am Anfang trägt die Komposition sogar noch ein paar Jazzelemente. Schön ist auch, dass das Schlagzeug in seiner "modernen Form" eingesetzt wird, also man teilweise einen Rhythmus aus Hi-Hat, Base und Snaredrum zu hören bekommt. Ansonsten hat sich Aichinger beeindruckende eingängige Melodien einfallen lassen, die so toll klingen, dass man sich am liebsten das Ganze noch mal auf CD anhören möchte.

Die Inszenierung selbst verdient übrigens ebenfalls ein großes Lob. Sowohl Bühne, als auch Kostüme und Gesang haben sich zum Gesamtkunstwerk ergänzt. Dabei wirkten weder das Bühnenbild noch die Kostüme unprofessionell oder unpassend, wie es manchmal bei Aufführungen dieser Art der Fall ist. Ganz im Gegenteil waren die fünf beweglichen Kleiderkästen, die in der ersten Hälfte des Stückes die Requisite darstellten eine sehr kreative und stimmige Umsetzung des Stoffes und spiegelten Rudolfs Verwirrung und Überraschung wider. Dieser wunderbare Opernabend bleibt noch längere Zeit im Gedächtnis haften. Außerdem freut man sich schon auf den nächsten Teil und fragt sich, warum Oper nicht immer so gut inszeniert sein kann.

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