Kulturwoche - 22. Dezember 2012, Manfred Horak

Wünsch Dir was: Interview mit Kristine Tornquist (pdf)

Die Kammeroper "MarieLuise" von Regisseurin Kristine Tornquist und Komponist Gernot Schedlberger feiert am 31. Dezember 2012 im Palais Kabelwerk Premiere, garniert mit einem kulinarischen Silvesterempfang und einigen dramaturgischen Überraschungen. Welche Erinnerungen Kristine Tornquist an Weihnachten hat, verriet sie uns im Interview.

Das neue Musiktheater von sirene Operntheater handelt von den siamesischen Zwillingen MarieLuise, die sich zwei Beine und zweieinhalb Arme teilen, aber sonst jede von ihnen eine eigenständige Persönlichkeit haben. Als Spezialistinnen für das Gemeinsame beginnen sie, sich politisch zu engagieren. Doch in der Politik finden sie statt Kooperation vor allem Konkurrenz und werden mit den Mechanismen der Macht konfrontiert - von der Kampfabstimmung bis zur Intrige.

Der Komponist, Dirigent und Instrumentalist Gernot Schedlberger zeichnet für die Musik verantwortlich. Das Stück stammt von Kristine Tornquist, die auch Regie führt und uns den Wünsch-Dir-Was-Fragekatalog beantwortete.

Was erwarten und erhoffen Sie sich von 2013 und generell von der Zukunft?

Eigentlich denke ich nie so weit voraus. Ich erwarte, befürchte und erhoffe nichts, aber ich bin gespannt, was kommt!

Was fällt Ihnen zu den folgenden Stichworten ein? Interventionen.

Über eine Zeit lang hatte ich ein geheimes Spiel, jeden Tag um 12 Uhr Mittag zu dem Objekt oder der Situation, die ich zufällig gerade vor mir hatte, eine Intervention zu erfinden. Mal war das eine Karotte, die ich beschnitze oder einen Sessel, den ich mit Fliegen bemalte oder eine Skulptur, die ich aus Töpfen baute. Das war für mich ein großer Spaß und es sind auch ein paar schöne Sachen dabei entstanden. Aber mir liegt immer mehr an der tiefergehenden beharrlichen Arbeit, die nicht spontan und leicht sein kann, sondern in die man sich über Jahre hineinbohrt und in der man eine unabhängige eigene Welt erschafft.

Visionen

Das Lebenselixier Nr.1!

Illusionen

Ich halte viel von Illusionen, wenn sie das Leben erleichtern. Warum soll man sich immer mit den nackten Tatsachen zufrieden geben?

Trennung

Ideal, wenn sich das Gefühl des Verlustes mit dem der Erleichterung die Waage hält.

Was waren für Sie die wichtigsten Ereignisse in der Kunst- und Kulturszene von 2012?

Die Entstehung von Künstler-Netzwerken, zum Beispiel dem der Wiener Musiktheater, bei dem das sirene Operntheater auch beteiligt ist. So lässt sich der allgemeinen Ökonomisierung der Kunst doch etwas entgegenstellen!

Denken Sie noch gerne an Weihnachten aus Ihrer Kindheit zurück?

Meine Mutter bereitete für uns Kindern die perfekte Zaubershow. Ab 1. Dezember passierten rätselhafte und magische Dinge im Haus, wir suchten wie Detektive nach Engelsbotschaften und fieberten den ganzen Advent voraus. Das Schönste aber war, dass das alles - trotz aller Spannung - jedes Jahr völlig gleich ablief. Dieselbe Glocke läutete, man erkannte all die Schmuckstücke am Baum wieder, und am Tisch standen immer dieselben Spezialitäten, die es sonst das ganze Jahr über nicht gab. Außerdem durften wir Kinder zu Weihnachten Coca Cola trinken - sonst streng verboten.

Mögen Sie Weihnachten bzw. was bedeutet Ihnen heute noch Weihnachten?

Mit meiner Tochter alle Phasen der Weihnachtsbegeisterung und Weihnachtsabneigung durchlaufen. Inzwischen sind wir bei einer sehr entspannten, (fast) geschenkefreien Feier zu dritt gelandet. Silvester meide ich, seit ein Kracher auf meiner Schulter direkt neben meinem Ohr explodiert ist. Dafür liebe ich den 1. Jänner. Stehe gern früh auf und mache einen Spaziergang durch die erschöpfte, menschenleere Stadt. Heuer wird das aber alles anders sein, Silvester wird eine rauschende Premierenfeier unserer nächsten Opernuraufführung MarieLuise und den ersten Jänner werde ich klassisch verschlafen!

Welche Wünsche haben Sie an das Christkind / den Weihnachtsmann und welche an die österreichische Regierung bzw. an die Regierungen dieser Welt?

Beschleunigung beim Umdenken! Viele Denkmuster, in denen wir feststecken, stammen noch aus dem  20. Jahrhundert - der Wachstumswahn, die Ressourcenverschwendung, die Individualisierung um jeden Preis. Es gibt längst neue Lebensmodelle und Ideen, wie man bescheidener und nachhaltiger auch gut leben könnte, es gibt auch genug konkrete Ideen und Technologien zur Umsetzung, aber leider auch eine allgemeine Denkfaulheit. Liebe Politiker, traut euch etwas und bewegt mehr als eure Umfragewerte!

Welche Erinnerungen werden Sie voraussichtlich an das Jahr 2012 behalten?

Zum Beispiel einen Spaziergang durch endlose Marktgassen von Kairo. Sonnenuntergang in den Vorarlberger Bergen. Eine lange Nacht in der Ankerfabrik. Ein Opernmarathon in Berlin. Aber wer weiß, was bis Silvester noch alles dazukommt!

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