Opernnetz, 18.08.2009, Barbara Preis

Kammeropernfestival für zeitgenössische Kompositionen

Die freie Musiktheater Szene Wiens wird seit einigen Jahren vom sirene Operntheater bereichert, das bisher vor allem mit Produktionen im Wiener Jugendstiltheater auf sich aufmerksam machte. Doch in diesem Sommer entschloss sich die Operngruppe (geleitet von Jury Everhartz und Kristine Tornquist), in der Expedithalle der ehemaligen Anker-Brotfabrik ein außerordentlich interessantes Projekt zu veranstalten. Das sirene Operntheater machte den mutigen Schritt und vergab für ein Kammeropernfestival neun Kompositionsaufträge. Das Festival dauerte von 22. Mai bis 18. Juli und füllte somit einen Teil der Sommerpause der diversen Wiener Kulturinstitutionen. Begleitet wurden die Abende jeweils von der Ausstellung von Exponaten aus privaten Sammlungen. So wurden die ZuschauerInnen mit verschiedenen „China Girls“ (kinematographische Proben) konfrontiert, mit gesammelten Skiern, Erstdrucken aus der Bibliothek von Loys Egg und sechs weiteren ausgesuchten Stücken der diversen Sammelleidenschaften.

Die Libretti zu den neun Opern basieren auf dem Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“ von Leo Perutz. Der Roman stellte folglich den inhaltlichen Rahmen der neun Werke. Kristine Tornquist übernahm einerseits die dramaturgische Aufgabe, den Roman in neun Libretti umzuwandeln, andererseits führte sie auch die Regie zu den Opern. Die Libretti wurden von neun zeitgenössischen Komponisten vertont: René Clemencic, Oskar Aichinger, François-Pierre Descamps, Wolfram Wagner, Lukas Haselböck, Paul Koutnik, Akos Banlaky, Gernot Schedlberger und Christof Dienz. In dem Roman erzählt der Hauslehrer cand. Med. Meisl in vierzehn Episoden von der Legende zwischen der Prager Judenstadt und dem Hradschin. Das Zentrum stellt der Kaiser Rudolf II dar, dessen Sammelleidenschaft die Geschichten bestimmt. Weitere historische Persönlichkeiten, die den Roman bevölkern, sind Rabbi Löw, Johannes Kepler und Albrecht Wallenstein.

Die Wahl, das Festival in der Expedithalle der hier ehemals ansässigen Großbäckerei Anker zu präsentieren, gab dem Projekt einen zusätzlichen Reiz. Denn wie es den diversen freien Operngruppen Wiens bereits oftmals gelungen ist, konnte auch das sirene Operntheater einen neuen Raum für Musiktheater hinzugewinnen. Die ca. 2000 m 2 große Halle bot genügend Platz für Zuschauertribüne, Orchesterpodium und viele liebevolle Ideen der Regisseurin, die versuchte, mit Requisiten und Bühnenbild den Raum zu nutzen. Die Regie Kristine Tornquists beinhaltete eine Vielzahl von humorvollen Details, die ausgezeichnet zu den skurrilen Inhalten passten. Auch die Personenführung war gut an die launigen Charaktere angepasst. Zwar gelang es Kristine Tornquist (Regie), Jakob Scheid (Bühne), Markus Kuscher (Kostüm), Stina Jakub (Maske) und Edgar Aichinger (Licht und technische Leitung), die Aura der Erzählungen des Romans gut einzufangen. Dennoch wünschte man sich gelegentlich mehr Homogenität mit der Musik und weniger Eingehen auf die Libretti selbst. So häuften sich die Ideen von Kristine Tornquist gelegentlich, sodass sie parallel durchgeführt wurden und das musikalische Geschehen überdeckten. Das ensemble on_line überzeugte in jeder Vorstellung, egal unter welchem Dirigenten (am Pult fanden sich François-Pierre Descamps, Jury Everhartz und Gernot Schedlberger). Die MusikerInnen mussten immerhin Werke von neun verschiedenen Komponisten einstudieren. Von besonderer Spannung waren die Kompositionen von Wolfram Wagner (er vertonte die Episode: „Die Sarabande“), Gernot Schedlberger („Der Heinrich aus der Hölle“) und Christof Dienz („Das Gespräch der Hunde“). Gesanglich und darstellerisch faszinierten der Bariton Johann Leutgeb sowie der Countertenor Armin Gramer, die beide an mehreren Abenden zu hören waren.

Mit diesem Festival gelang dem sirene Operntheater ein geglücktes Projekt. Es waren junge Sänger und SängerInnen zu erleben, neun Komponisten erhielten einen Auftrag und befassten sich mit ihren Libretti auf unterschiedliche Art, und die Wiener Operszene wurde im Sommerloch durch ein Projekt belebt, das uns mit all seiner Innovation nicht nur gegenwärtiges Musikgeschehen präsentierte, sondern alte, wunderschön erzählte Geschichten unserer Kultur wiederbelebte.

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