September-Oktober 2018, Orpheus Magazin Nr. 45 05/2018, SUZ

Grenzen  ausloten

Die seit 1998 existierende freie Künstlerformation sirene Operntheater eröffnet ihren aufregenden Musiktheaterherbst mit einem diskussionsgeladenen, experimentell vibrierenden Themenkomplex um die gegensätzlichen Elemente Feuer und Wasser, hier stellvertretend für existentielle Katastrophen.

Gegründet wurde das sirene Operntheater von der Autorin und Regisseurin Kristine Tornquist sowie dem Komponisten und Dirigenten Jury Everhartz, die seit Anbeginn einen besonderen Fokus auf das zeitgenössische österreichische Musiktheater setzen. Diesmal begeben sie sich wieder einmal in ein brisantes und bewusst unstetes Grenzgebiet: Unter dem Überbegriff »Feuer« feiert die Kammeroper »Jeanne und Gilles« mit einer expressiven Partitur François-Pierre Descamps‘ und dem Libretto von Kristine Tornquist innerhalb des Festivals »Fieber Feuer Flamme« im Wiener Reaktor (ehemaliges »Grand Etablissement Gschwandner«) ihre Uraufführung.

Das Werk erzählt die Beziehung Jeanne d’Arcs zu ihrem Kampfgefährten, Gilles de Rais, dem adligen, mutmaßlichen Vorbild der legendären Blaubartfigur. Seine unerfüllte Liebe zur »erleuchteten Jungfrau« und die Folgen des Krieges lassen ihn in doppelter Hinsicht zum Opfer werden: Traumatisiert von den verheerenden Schlachten und dem Feuertod seiner Gefährtin, wird er selbst zum Verbrecher. Die Gewalt einmal in seine Seele gelassen, drängt es ihn weiter zum Horror, um als Serienmörder in grausamen Taten vertrautes, berauschendes Grauen zu finden.

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