Panoramen und Guckkisten

Panorama-Ansichten von fernen Ländern und Menschen waren seit dem Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreitet und beliebt. Für einige Panoramen wurden große Rundgebäude errichtet, in die die Besucher eintreten konnten, um von der Mitte aus ein perspektivisches Landschaftsbild zu betrachten. Nur wenige solcher Rundpanoramen sind noch heute erhalten, wie jenes in Den Haag, das Panorama Mesdag, das die Strand- und Küstenlandschaft Scheveningens zeigt, oder das bekannte Innsbrucker Panorama, welches die historische Schlacht am Bergisel darstellt.

Andere Panoramen wurden aus einem Schaufenster heraus betrachtet. „Guckkästner“, wie es sie oft auf Jahrmärkten gab, ließen das Landschaftsbild von einer Rolle langsam mechanisch abspulen, so dass es, wie von einem Zugfenster aus gesehen, vor dem Betrachter vorbei glitt. Max Ophüls zeigt ein solches Panorama als Pratervergnügen noch in seiner Verfilmung von Stefan Zweigs Novelle „Brief einer Unbekannten“ (1947). In Guckkästen und Dioramen konnte sich das Publikum seiner Schaulust erfreuen, ohne auf gefahrvolle Reisen zu gehen.

Walter Benjamin beschreibt die Wirkung der beliebten Panoramen und Guckkästen, die man auch „optische Zimmerreisen“ nannte, anschaulich in seinem Text "Berliner Kindheit um Neunzehnhundert":

Im Jahre 1822 hatte Daguerre sein Panorama in Paris eröffnet. Seitdem sind diese klaren, schimmernden Kassetten, die Aquarien der Ferne und Vergangenheit, auf allen modischen Korsos und Promenaden heimisch. Und hier wie in Passagen und Kiosken haben sie Snobs und Künstler gern beschäftigt, ehe sie die Kammer wurden, wo im Innern die Kinder mit dem Erdball Freundschaft schlossen, von dessen Kreisen der erfreulichste – der schönste, bilderreichste Meridian – sich durch das Kaiserpanorama zog.
Walter Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert

Panoramen, Dioramen, Guckkästen sind einander nahe verwandt. Sie stellen imaginierte Orte dar, in denen das räumlich und zeitlich Entfernte Gegenwärtigkeit gewinnen kann. Guckkästen arbeiten auch durch ihr kleines Format höchst reizvoll mit der Spannung von Nähe und Ferne in optischen Phänomenen. Der Guckkasten ist zugleich eine Bühne en miniature. Wie kaum ein anderes Medium eignen sich Guckkästen, den Blick der Betrachter zu fokussieren und ihre Sicht geradezu in eine Richtung zu zwingen, weshalb sich das historisch oder geografisch Entfernte in seinen Bildern sich überzeugend gegen die äußere Wirklichkeit behaupten konnte.

Isabelle Gustorff