Wiener Zeitung, 19. November 2004, Edwin Baumgartner

Viel zu viel Parodie

Was "Operellen" sind? - Kurzopern à 15 Minuten, vom sirene Operntheater bei diversen österreichischen Komponisten in Auftrag gegeben und nun, nach der Uraufführung in Innsbruck, auch im Wiener Jugendstiltheater zu sehen.

Vielleicht verursachte die vorgeschriebene (kurze) Spieldauer, dass nahezu alle mitarbeitenden Komponisten keinen Raum für größere emotionale Entwicklungen sahen und sich auf das Feld der Parodie begaben; oder sie wollten sich in der vermeintlichen ästhetischen Sicherheit von Genre-Persiflage und Klischee-Zitat wiegen. Doch das allein macht keine Oper aus - auch keine "Operelle".

Wenn Peter Planyavsky in HerzLosZeitLos (Text: Walter Titz) Banalitäten seziert, ist das nicht wesentlich entfernt von dem Ansatz, den Akos Banlaky für "Schock - Ein Hunderennen" (Text: Hosea Ratschiller und Lukas Tagwerker) wählt. Nur, dass bei Banlaky Musik mit viel Drive herauskommt, während Planyavskys Sperrigkeit zwar beabsichtigt, für den Zuhörer indessen ernüchternd ist.

Jury Everhartz wiederum bedient sich witzig verbeulten Barockisierens, um Wolfgang Bauers Libretto in "Das gestohlene Herz" beizukommen - und unterhält das Publikum damit zwar nicht auf hohem Niveau, aber doch recht gut.

Auch Christof Dienz liebt's parodistisch, was schade ist, denn der wohl ernst gemeinte lyrische Anfang ist das beste von "Die vertauschten Köpfe" (Text: Radek Knapp), während die Operetten-Klischees dann witzig heraufbeschworen werden, letzten Endes aber eben doch nur heraufbeschworene Operetten-Klischees bleiben.

Kurt Schwertsiks Lachen hingegen ist keineswegs so nur-witzig. In "Schlaf der Gerechten" nach einem glänzenden Libretto von Kristine Tornquist ist der Ernst des absurden Stücks spürbar. Er teilt sich in der routiniert gearbeiteten Musik auch dort mit, wo sie - eben nur scheinbar - witzig ist.

Am eindrucksvollsten für mich jedoch: "Schutt" von Gilbert Handler, der einen autobiografischen Text von Hermes Phettberg zu einer an der Oberfläche schlichten, sehr berührenden Litanei über ein in Trümmer gegangenes Leben in Einsamkeit formt. Handler fällt auf, denn er setzt völlig anders an als die anderen Komponisten. Und überzeugt gerade dadurch.

Die synchronen stereotypen Bewegungen, die Regisseurin Kristine Tornquist für Handlers "Operelle" erfand, hoben sich in ihrer beklemmenden Monotonie auch ab von Tornquists sonst rasanter und pointierter Regie, in der einzelne Figuren, Requisiten und Kostüme (Bühne: Walter Vogelweider; Kostüme: Julia Libiseller) brillant zu einem Geflecht an roten Fäden verwoben werden.

Glänzend die musikalische Realisierung durch das Tiroler Ensemble für Neue Musik unter der Leitung von Dorian Keilhack und die schauspielerisch wie sängerisch vorzüglichen Solistinnen und Solisten Renate Fankhauser, Shauna Elkin, Dan Chamandy, Michael Wagner und Klaus Rohrmoser.

Insgesamt ein etwas zu langer, aber auch durch Intelligenz und Originalität verblüffender Abend.

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