Der Standard, 29. Dezember 2012, Daniel Ender

Ein ungleiches Paar kommt selten allein. Uraufführung der Oper "MarieLuise" von Kristine Tornquist und Gernot Schedlberger zu Silvester im Palais Kabelwerk.

Wien - Eine zwillinghafte Symbiose aus Text und Musik, Regie und Produktion bildet laut Selbstdefinition das sirene Operntheater, das Kristine Tornquist und Jury Everhartz seit zwölf Jahren gemeinsam betreiben.

Er ist Komponist und Dirigent, sie Librettistin, bildende Künstlerin, Regisseurin - und bei praktisch sämtlichen Projekten der freien Operngruppe buchstäblich federführend dabei. Auch bei der aktuellen Produktion, die zu Silvester im Palais Kabelwerk Premiere feiert, zeichnet Tornquist (Jahrgang 1965) sowohl für das Textbuch als auch für die Regie verantwortlich.

Das ist natürlich gefährlich, gibt sie im Gespräch mit dem Standard unumwunden und lachend zu. Ihr Gegenrezept, um diese Gefahr zu bannen, lautet: möglichst viel mit den unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten. Mit Vorliebe tut sie dies im Rahmen von mehreren Mini-Opern an einem Abend, für die sirene besonders bekannt geworden ist, regelmäßig aber auch mit abendfüllenden Werken.

Bereits zum zweiten Mal - nach der Oper Der Heinrich aus der Hölle - hat sie nun mit Gernot Schedlberger kooperiert, Jahrgang 1976 und unter anderem Komponist einer Reihe von Opern, Balletten, Schauspielmusiken, der über sich sagt: Neutönerisches ist mir fremd. Das hat auch mit meinem Praxisbezug als Korrepetitor und Dirigent zu tun.

Laut Tornquist ist die Kammeroper MarieLuise, die Schedlberger naheliegender Weise auch selbst dirigieren wird, eine böse Versuchsanordnung: Es geht um zwei siamesische Zwillinge, die voller Ideale sind und diese umsetzen wollen, indem sie in die Politik gehen. Und sie scheitern glorios.

Da gibt es neben dem Zwillingspaar, das von innerparteilichen und persönlichen Kämpfen zerrieben wird, einen Spindoktor und sonstige Ärzte, die das Zwillingspaar schließlich operativ trennen, oder Reporter von Billigblättern, die zum Beispiel Täglich Heute heißen.

Schedlberger hat sich für den Stoff, der auf ein Romanfragment Tornquists zurückgeht, und für das daraus entstandene Libretto gleich interessiert: Das Textbuch funktioniert auf mehreren Ebenen, und das schätze ich sehr: Es geht nicht nur um die politische Problematik der siamesischen Zwillinge, sondern auch um ihr persönliches Verhältnis, um das Problem, wenn sich in der Presse bestimmte Mechanismen verselbstständigen, und um medizinische Ethik: Wie weit darf ein Arzt gehen? Es sind also etliche Fragen und Handlungsstränge, die da miteinander verwoben sind.

Musikalisch reagiert hat der Komponist auf die beiden Zwillinge durch die gleiche Besetzung mit zwei Mezzosopranen, die im Kammerorchester aus zwölf Instrumenten Äquivalente finden. Zwei Bassklarinetten bilden eine Paarsituation, in der musikalischen Struktur gibt es häufig zwei Instrumentengruppen oder zwei Rhythmen, die gegeneinander arbeiten.

Bevor die beiden wieder zur Probe aufbrechen müssen, streut Tornquist auch noch Schedlberger Rosen: Seine Musik ist wie ein erratischer Block, in sich geschlossen und wie aus einem Guss. Die sarkastische Operation kann also beginnen.

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