27.11.2016, Der Standard, Ljubiša Tošić

In der Ordination der grossen Gefühle:
das sirene Operntheater gastiert in der Wiener Kammeroper mit drei frischen Werken

Wien – Wer in letzter Zeit die Wiener Kammeroper aufgesucht hat, dürfte groteske Spitalsatmosphäre geschnuppert haben: Das sirene Operntheater, eine der freien Wiener Gruppen, gastiert momentan (bis 30. 11.) in dem (an sich dem Theater an der Wien zur Obhut übergebenen) kleinen Haus mit gleich drei Werken, deren Geschichten (Libretti von Kristine Tornquist) sich allesamt durchs Krankenhausmilieu schlingeln.

Es geht hier quasi immer um "alltägliche" Grenzbereiche: In der finalen Uraufführung der "Krankenhaus-Trilogie", also Soma von Komponist Christof Dienz, trifft eine zwischen Überforderung und Lageweile changierende Ärzteschaft auf Hypochondrie wie akute Not (intensiv Anna Clare Hauf). Die Ärzte lassen sich jedoch nicht drängen; schließlich kommt es zu eskalierenden Beschimpfungsorgien zwischen Helfenden und Hilfsbedürftigen. Der bösartige Tumor allerdings wird bei Frau Doktor gefunden. Ärzte sind nicht nur Menschen am Rande der Überforderung – sie sind hier auch Patienten.

Im vokalen Bereich herrscht bei Dienz zwar so etwas wie ein elegischer Grundton vor. Allerdings ringt er den situativen Tumulten mitunter auch Ironisch-Groteskes ab. Dienz hat das Werk ja atmosphärisch unverkrampft bunt angelegt: Sein stilistischer Horizont reicht weit über die Konventionen der klassischen Moderne hinaus. Die ganzen komponierten Beschleunigungen und Verlangsamungen – innerhalb einer soliden, punktuell etwas platten Regie von Kristine Tornquist – sind dann beim Orchester unter Dirigent François-Pierre Descamps in pointierten Händen.

Auch Nemesis, die Neuheit von Komponist Hannes Löschel, ist thematisch in einem gewissen Verwandtschaftsverhältnis zu sehen. Auch hier – es geht um einen erwachenden Komapatienten – steht ärztlicher Ehrgeiz im Verdacht, nicht in erster Linie das Patientenwohl im Blick zu behalten. Löschel komponiert hierzu gewissermaßen kammermusikalisch-inselhafte Episoden, deren markanter Charakter in einem durchkomponierten Rahmen allerdings noch besser zur Geltung gekommen wäre. Auch die Kompaktheit des ganzen Werkes hätte durchaus profitiert.

Am Montag startet die Trilogie nochmals – mit Hybris von Šimon Voseček, wo es um ethische Implikationen zum Thema Lebertransplantation geht. Mit einem guten Ensemble, also u. a. mit Markus Miesenberger, Georg Klimbacher und Maida Karišik.

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