Der Dompteur

Einer der Ursprünge des modernen Zirkus ist die Kunstreiterei, die durch die aufkommende militärische Bedeutung des Pferdes und der Reitkünste des Militärs im 17. Jhdt einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hatten. Aus Hofreitschulen und Königlichen Kavalleriemanegen entwickelten sich, ausgehend von England, die ersten Zirkusse im heutigen Sinn, in denen sich die Reiter einerseits sportlich andererseits als Bezwinger des Tieres im sandigen Rund präsentierte. Nicht zuletzt die Spanische Hofreitschule ist ein atavistisches Überbleibsel davon.

Christophe de Bach, k.k.privilegierter Kunst - und Schulbereiter, begründete 1808 den ersten länger bestehenden Zirkus und errichtete ein festes Zirkusgebäude auf der Zirkuswiese im Prater. Im Mittelpunkt zwischen dazukommenden komischen Nummern und Artisten standen Kunstreitereien, doch de Bach dressierte bereits auch Hirsche. Auch Tanzbären, Esel und Hunde in Clownnummern gab es bereits seit dem Mittelalter, Thomas Batty gilt aber als der erste Raubtier-Dompteur, wenngleich die schlichte Faszination seiner Darbietung darin bestand, dass er sich in bunter Tracht in den Wagen zu sechs Löwen wagte. Rundkäfige in der Manege und die Präsentation des gebrochenen Willens der Tiere in Choreographien, die ihrem Instinkt widerstreben, tauchten erst später auf.

Dressur bewegt sich zwischen Kommando, Fesselung, Anleinen oder Einsperren und Bestrafung. Während Bären und Seehunde mit Futter dirigiert werden, ruft der Dompteur Elefanten mit dem verletzenden Elefantenhaken zur menschlichen Ordnung, nimmt Pferde an die Kandare und hält Löwen mit der Peitsche in Schach.

Heute wird bei der sogenannten sanften Dressur das angeborene Fluchtverhalten genützt, das sich bei jedem Tier einstellt, wenn der Mensch sich bis zu einem gewissen Abstand nähert. Nähert sich ein Dompteur einer Grosskatze über die kritische Distanz hinaus, so wird Fluchtverhalten ausgelöst, das die Tiere in panischer Bewegung hält und schliesslich in der Enge der Manege in Angriff umschlägt, der wiederum auf das zu bespringende Podest oder den Feuerreifen umgelenkt wird.

Die Wildheit und Kühnheit, die damit ausgestellt wird, ist jedoch nicht Aggression, sondern verzweifelte Notwehr. Auch wenn moderne Dompteure gerne betonen, dass sie ihre Tiere lieben und ohne die brutalen Mittel der Bestrafung aus der Vergangenheit arbeiten, bleibt das Wesen einer Dressur das Brechen eines Willen, ist ohne Gewalt und Machteinfluss gegenüber dem Tier eine Illusion und würde einem Löwen-Dompteur vermutlich das Leben kosten.

Kristine Tornquist