B. Traven alias Hal Croves, Traven Torsvan, Ret Marut, Otto Feige

Wo ist das Land der freien Menschen? Da, wo mich keiner belästigt. Wo keiner wissen will, wer ich bin, woher ich komme, wohin ich gehen will. Wenn du nicht angelogen werden willst, frag mich nicht. B. Traven

Gale, Held und Erzähler im Totenschiff, so etwas wie ein Alter Ego des Autors, verliert im Lauf der Geschichte seine amtliche Identität - erst den Pass, dann seine Herkunft, seinen Namen und schliesslich alle Menschenrechte.

Dieses Motiv aus dem Totenschiff ist eines der Lebensthemen des rätselhaften Schriftstellers. Denn B. Traven ist ein Pseudonym. Wer dahintersteckt, war lange ein literaturwissenschaftlicher Streit. Der Autor tat unter aufwendigen Vorkehrungen alles dazu, nicht identifiziert zu werden. Keiner seiner Verleger bekam ihn je zu Gesicht. Es gab keine beglaubigten Fotografien von ihm. Indem er nachträglich Übersetzungen ins Englische als Original ausgab, versuchte er sogar, über seine deutsche Muttersprache hinwegzutäuschen. Er verbot sich jede Publicity, jeden Hinweis auf die Herkunft der getippten Manuskripte und hätte es begrüsst, wenn nicht einmal sein Pseudonym auf den Buchdeckeln erschienen wäre: Meine Arbeit ist wichtig, nicht meine Person.

Dieses Rätsel machte ihn zur Legende. Es kursierten viele mysteriöse Geschichten und Vermutungen über ihn - wie etwa dass dem, der nach ihm suche, Unheil geschehe, dass sich der Präsident von Mexiko dahinter verberge, dass er ein geheimes zweites Leben von Jack London oder eine zweite Identität von Ambrose Bierce sei, der in Mexiko verschwand, ein armer Schwarzer oder gar ein deutscher Prinz. Man wusste von B. Traven nur, dass die Manuskripte voll sozialem Engagement bis hin zu anarchistischen Idealen zuerst in deutscher Sprache aus Mexiko geschickt wurden, dass er kämpferisch die Entrechteten vertrat und aus tiefstem Herzen die Bourgoisie verachtete. Sein Stil war zynisch und geschliffen, politisch geschult.

Der Autor verbarg sich tatsächlich hinter mehreren Namen. Ein investigativer Journalist stiess auf die Bankkonten des Autors unter dem Namen Torsvan, verwaltet von der Mexikanerin Martinez. Er folgte ihr zu einer Gastwirtschaft in Acapulco, die dem Amerikaner Berick Traven Torsvan, einem kleinen blonden, stets von 25 Hunden begleiteten Mann, gehörte. Torsvan/Traven stritt ab und drohte dem Journalisten schliesslich mit Selbstmord, was diesen nicht daran hinderte, seine Erkentnisse zu veröffentlichen. Traven trat diesen Enthüllungen in Zeitungsartikeln daraufhin empört entgegen und verschwand aus Acapulco. Als John Huston 1948 The Treasure of the Sierra Madre verfilmte, tauchte der Agent Hal Croves im Namen von Traven bei ihm auf und blieb als Beobachter am Set. Huston hatte – wegen idiomatischer und ideologischer Übereinstimmung mit dem Autor – schnell das Gefühl, Croves sei eine Rolle und jener Mann der Autor persönlich, doch beweisen liess sich das nicht. 1956 übertrug der Autor sein Copyright auf seine Mitarbeiterin und spätere Ehefrau Rosa Elena Luján, um den Kontakt zu den Verlagen zu vereinfachen. Sogar in seinem Testament 1969 verschleierte er noch seine Identität, indem er ein „Bekenntnis” schrieb, der in Chicago geborene Traven Torsvan Croves zu sein.

Erst nach dem Tod seiner Witwe 2009 enthüllte sich seine Identität. Sie hinterliess Notizen und Papiere, aus denen hervorgeht, dass B. Traven als Ret Marut in Deutschland gelebt hatte. Vom Engländer Richard Maurhut, Robert Marut und schliesslich Ret Marut weiss man weder Geburtsort noch -jahr, er tritt zum ersten Mal 1906 in Leipzig als Schauspieler ans Licht der Öffentlichkeit. Vermutlich ist Marut bereits das erste Pseudonym von Otto Feige, 1882 als Töpfersohn in Schwiebus, heute Polen, geboren und 1905 untergetaucht. Beweisen lässt sich das allerdings nicht.

Marut arbeitete weiters als Regisseur, Journalist, Gründer der anarchistischen Zeitschrift Der Ziegelbrenner und der Hochschule der Bühnenkunst in Düsseldorf, als Schriftsteller - und als Revolutionär. Ein halbes Jahr nach der Geburt seiner Tochter tauchte Marut unter und kurz darauf als „amerikanischer Staatsbürger“ in München wieder auf. Er engagierte sich politisch in der Münchner Räterepublik und wurde nach dem Scheitern der Revolution als Hochverräter gesucht. Er ging in den Untergrund, schliesslich nach London, wurde verhaftet und ausgewiesen. 1924 traf er in Mexiko ein und bald darauf war die Geburtsstunde B. Travens. 1925 tauchte das Pseudonym unter dem Forsetzungsroman Die Baumwollpflücker zum ersten Mal im Vorwärts, dem sozialistischen Volksblatt, in Deutschland auf. Im selben Jahr stellt er Das Totenschiff, seinen zweiten Roman fertig. Ab nun veröffentlichte er jedes Jahr ein bis zwei Romane.

Traven blieb ein durch und durch politischer Autor. Alle seine Romane widmen sich engagiert und voll zornigem Zynismus den gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, der Absurdität der Gesetze und der falschen Grundlagen der gesellschaftlichen Werte. Besonders nahm er sich der Unterdrückung der mexikanischen und südamerikanischen Einwohner an und der Bedingungen, unter denen sie von den Weissen ausgebeutet wurden.

Traven war kein Schriftsteller, der schrieb statt zu leben. Er setzte seine Ideale und politischen Visionen konsequent im eigenen Leben um. Er machte sich frei von den Eitelkeiten der Identität, der Selbstdarstellung und fragwürdigen Werten wie Heimat und Klasse, befreite sich von den Verpflichtungen durch Erfolg und Geld. So ist überliefert, dass er zu Rosa Elena Luján, als er ihr die Rechte übertrug, sagte:

Hier sind alle Rechte und alles Geld. Ab nun verwaltest du alles. Und wenn du es auch alles an einem Tag ausgibst oder damit abhaust, geht es mich nichts mehr an. Es gehört dir.

Bruno Traven über seinen Roman