Das Libretto

Das Libretto ist inspiriert von Pornografia von Witold Gombrowicz. 1963 war das Buch ein Skandal - zwei ältere Männer verkuppeln ein junges Mädchen der Gesellschaft mit einem gleichaltrigen Landarbeiter, das erotische Experiment führt letztlich zu einem Mord. Der gierige Blick reifer oder älterer Erwachsener auf das Abenteuer von Pubertät und Adoleszenz rührte an ein Tabu zwischen den Generationen. In Gombrowicz amoralischer Versuchsanordnung sind Langeweile und Voyeurismus das Motiv.

Das Libretto Abendsonne von Kristine Tornquist arbeitet mit demselben Motiv, hinterlegt jedoch die Intrige mit einer anderen Absicht und einem anderen Hintergrund jenseits von Moral und Lüsternheit. Was Büxenstein und seine beiden Freunde vorhaben, ist nicht unmoralisch wie bei Gombrowicz, sondern nichts anderes als eine Beschleunigung des Lebens selbst, das zwischen Werden und Vergehen rotiert.

Die Musik des jungen polnischen Komponisten Tomasz Skweres betont die komischen Situationen und findet doch auch Zeit für die stille Traurigkeit und Einsamkeit der Figuren. Mit einer sinnlichen und sehr farbigen Musik gestaltet er die Vorgänge im Altersheim sehr lebendig, in jedem Moment hört man das Blut rauschen, den Atem fliessen, die Herzen schlagen, das Zittern und Lachen vorwärts treiben.

Die Blicke der drei alten Herren bei ihrer heissen Schokolade folgen der jungen Pflegerin wie Gänseblümchen der Sonne.

Büxenstein: Wenn ich jung wär. Er seufzt.

Hagedorn: Wenn du jung wärst, würdest du die kleine Mira nicht bemerken.

Sägebarth: Als du jung warst, hast du ganz andren Frauen nachgepfiffen.

Büxenstein: Ich hab es damals nicht verstanden. Alle drei seufzen.

Büxenstein: Wenn ich nur jung wär,
ich könnt viel besser jung sein,
viel besser als die Jungen,
die von Jugend nichts verstehen.
Wenn ich noch jung wär,
ich pfiffe auf die Zweifel,
ich machte nicht nur Pläne,
und wartete nicht lang:
Ich nützte die Gelegenheit,
ich lebte jeden Atemzug,
verprasste meine Gegenwart,
denn Zeit lässt sich nicht sparen.

Die Realität holt die drei ein.

Hagedorn: Ja. Die Jugend ist an die Jungen vergeudet. Doch jetzt, wo man alles könnte...

Büxenstein: (traurig) ... kann man nichts mehr.

Libretto | Partitur