Salzburger Nachrichten, 14.01.2025, Hedwig Kainberger

Doblinger-Verlag zieht unter britisches Dach

Ein Stück österreichischer Musikgeschichte hat eine neue Eigentümerin: Die britische Wise Music Group hat den Verlag Doblinger übernommen.. 

Seit fast 150 Jahren hat der Musikverlag Doblinger österreichische Musikgeschichte geschrieben. Seit 1876 wird an der Dorotheergasse 10 im 1. Bezirk in Wien das, was Komponisten ersinnen, so verwandelt, dass es Musiker spielen und Publikum erleben kann. Sei es von Carl Michael Ziehrer, Franz Lehár, Oscar Straus, Hermann Leopoldi oder Friedrich Cerha: Dass deren Werke gedruckt, zu kaufen oder zu leihen und folglich zu spielen sind, besorgt seit eineinhalb Jahrhunderten der Doblinger-Verlag.

Diesen habe sein Ururgroßvater gegründet, erzählt der bisherige Eigentümer Peter Pany. "Ich bin jetzt die fünfte Generation." Allerdings wird er der letzte musikverlegende Nachkomme von Bernhard Herzmansky sein, der als 24-Jähriger aus Böhmen nach Wien gekommen war und die Musikalienhandlung Ludwig Doblingers erworben hatte. Zugleich mit der Übernahme des schon damals gut etablierten "Doblinger" gründete Herzmansky jenen Verlag, der nun unter das Dach der britischen Wise Music Group geschlüpft ist. Allerdings betrifft dies nur den Verlag Doblinger; das gleichnamige Musikaliengeschäft im Erdgeschoß ist seit 2021 ein eigenständiges Unternehmen.

Die Übernahme des Verlags ist freundlich erfolgt, sodass Peter Pany versichert: "Es gibt die Firma weiter, und es gibt mich weiter."

Er habe eine Nachfolge gesucht, denn "in der Familie hab ich niemanden", erläutert Peter Pany. "Ich bin nicht im Pensionsalter", doch habe er sich zeitgerecht darum kümmern wollen. "Als Musikverleger denke ich ja in Jahrzehnten und Generationen." Eigentlich habe er sich auf eine lange Suche eingestellt, doch sei er mit "dem fantastischen und hochmotivierten Verlagsteam" der Wise Music Group in wenigen Monaten handelseins geworden. Das Unternehmen sitzt in London und unterhält Niederlassungen und Töchter in den USA, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Japan und Australien. Zur Gruppe gehören Verlage wie Bosworth, Chester Music, Novello, Edition Peters, Éditions Alphonse Leduc, Le Chant du Monde und Unión Musical Ediciones.

Die Gruppe habe sich von Pop- und Rock zu Klassik und E-Musik gewandt. "Die sind sehr interessiert an uns", sagt Pany. Er werde für den Verlag weiterarbeiten und Ansprechpartner bleiben. Die Zusammenarbeit mit den neuen Eigentümern sei gut. Nun sei gewährleistet, "dass es uns lange weitergibt".

Anders als früher werden in den Verlagsräumen keine Noten mehr druckreif gemacht. Den "Papierverkauf" habe er samt Druckrechten und -pflichten an ein deutsches Unternehmen ausgelagert und selbst die Rechte behalten, erläutert Peter Pany. Er und sein Team konzentrierten sich auf Verträge mit Komponisten und deren Rechtsnachfolgern, auf das Aufspüren von Exilkomponisten sowie auf Werbung, Vertrieb, Tantiemen für Aufführungen geschützter Werke (bis 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten) und das Verleihen von Notenmaterial an Orchester und Ensembles.

Friedrich Cerha hat seine Werke teils bei der Universal Edition, teils bei Doblinger herausgebracht. Der Doyen im Programm ist derzeit Rainer Bischof. Weiters sind Werke von Gottfried von Einem und Egon Wellesz, von Roland Batik, José Cura, Johanna Doderer oder Tanja Elisa Glinsner im Katalog. Gleichermaßen bei Ensembles beliebt wie fürs Verlagsgeschäft lukrativ sind Fassungen großer Operetten wie "Die lustige Witwe" für kleine Orchester.

Exemplarisch für wiederentdeckte Komponisten nennt Pany Walter Kaufmann aus Karlsbad und Joseph Beer aus Gródek (heute Ukraine), dessen Operette "Polnische Hochzeit" nach Wien, München, Graz, Linz, Bern und Dresden heuer bei zwei Operettenfestivals und in Regensburg aufgeführt wird. Und: Die Oper "Abendsonne" des in Wien lebenden Polen Tomasz Skweres kommt 2025 bei Wien modern heraus.

Doblinger, nun in britischer Hand, ist einer der zwei renommierten österreichischen E-Musikverlage. Der andere, die Universal Edition (UE), ist als österreichische Firma registriert, wird aber von Nachkommen der in der NS-Zeit nach Großbritannien emigrierten Eigentümer über eine Schweizer Holding getragen. Die Übernahme von Doblinger durch die Wise-Gruppe werde kaum Veränderung im Musikverlagsgeschäft bringen, erläutert die Vorstandsvorsitzende der UE, Astrid Koblanck. Der Katalog und die Marke Doblinger bestünden weiter. Dies sei allerdings "ein weiterer Schritt in der Konzentration von Musikverlagsrechten".

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