Die Musik
Das Libretto der „Abendsonne“ zu vertonen war eine sehr spannende und dankbare Aufgabe, denn diese Textvorlage hat mich ermutigt auch im musikalischen Sinne die Grenzen auszuloten. Schnelle Wechsel zwischen grotesken, absurden Motiven und tragischen, dramatischen Momenten sind für diese Tragikomödie charakteristisch. In der Musik habe ich zahlreiche Anspielungen und Andeutungen an berühmte Werke der Opernliteratur oder repräsentative Stile der vergangenen Epochen verwendet, um die charakteristischen Momente meiner Oper noch bildhafter zu machen. Mal ist es ein verstecktes Zitat aus „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck der eine märchenhafte Illusion verstärken sollte, mal ist es eine wagnerianische Ernsthaftigkeit und Zeitlosigkeit der extrem tiefen Register, mal ein sich nach einer weit zurückliegenden Jugend sehnender Tango. Alle diese Einblicke in die Musikgeschichte, dieses immer wieder Zurückgehen auf der Zeitachse, knüpft an das Hauptthema der Oper an – an das Alter, und an den Versuch das kompromisslose, unaufhaltsame Fortschreiten der Zeit zu akzeptieren. Auch im musikalischen Sinne prallen in dieser Komposition zwei Welten aufeinander – die realistische, kompromisslose und die irrationale. Jedes Mal, wenn es zu einem Versuch kommt, den Kontakt mit den Geistern aus dem Jenseits herzustellen, versetzt uns die Musik in eine Illusion einer sich immer beschleunigenden, besessenen Rotation, die uns aus unserem Leben „auf die andere Seite“ ziehen möchte.
Die Gewissheit, dass jeder von uns immer älter wird und somit auch seinem Ende näher kommt, trägt immer die zwei Merkmale einer Tragikomödie in sich – einerseits ist es die Angst vor dem Sterben, ein Drama, wenn man sich dem Schicksal entgegenstellen will, andererseits ein gewisser gelassener humoristischer Zugang, der uns erlaubt, das Gesetz der Natur zu akzeptieren.