Der Heinrich aus der Hölle - Dramaturgische Überlegungen

Glauben und Sehen

Als Kind eines areligiösen Vaters und einer erzkatholischen spanischen Mutterfamilie verliefen die Fronten der europäischen Glaubensfragen mitten durch Rudolf II. Seine ganze Zeit als Herrscher in einem so vielsprachigen wie bekenntnisreichen Reich war er mit den dogmatische Verkrustungen unter religiösen Fahnen konfrontiert. Die Türkenkriege als angstbesetzte muslimische Fratze begleiteten sein gesamtes Leben. Direkt unter dem Hradschin, unterhalb der steinernen Brücke, lag das jüdische Ghetto.

In Nachfolge seines Vaters Maximilian pflegte er eine Politik der Toleranz und des Kräftegleichgewichts. Seine Taktik gegen die Einflussnahme der Religion auf seine Politik war vor allem die der Verzögerung von Entscheidungen. Doch bestätigte er 1577 die Religionsfreiheit der Juden. Er verweigerte sich der Gegenreformation und unterschrieb 1609 den Majestätsbrief zur Religionsfreiheit (der allerdings nicht konsequent umgesetzt wurde).

1603 empfing er den Gesandten des persischen Schah, der seinerseits Christen duldete, zu Verhandlungen. Ausgleichend liess er den Nuntius oft monatelang auf eine Audienz warten, weil er das Machtsstreben der Kurie bedrohlich empfand, führte einen geradezu widerständigen Privatkrieg gegen den Papst. Denn er empfand es als seine Pflicht, alle Untertanen anzuhören. „Auch die anderen (die Protestanten) sind redliche Leute“.

Trotzig hielt er bis zuletzt gegen allen katholischen Widerstand den protestantischen Georg Stefan Sternberg als Minister. Persönlich verweigerte der römische Kaiser zwar (wie sein Vater) die Kommunion und sein Beichtvater meinte mit Bedauern: „Der Kaiser denkt nicht im geringsten an Gott“, doch konnte Rudolf seine tiefkatholische Prägung in Spanien auch nicht verleugnen.

Rudolfs Verhalten legt den Schluss nah, dass er von den Interessenskriegen unter der Fahne der Kirchen genug hatte und sich nicht zuletzt deshalb Kunst und Wissenschaft zuwandte, die sich der Welt unvoreingenommen, ruhig und mit offenem Blick näherten.

Perutz lässt seinen Rudolf nachts von religiösem Spuk verfolgt sein und tagsüber als einziger den klaren Blick durch die Fassaden und Ettiketten auf den Menschen dahinter blicken. Ein treffendes Bild für einen Monarchen, der sich bis heute allen Vereinnahmungen entzieht.

Der historische Andreas Hanewaldt war Rechtshofsekretär mit radikalen Ideen. Er riet Rudolf, Bauern, Bürger und Leibeigene zu freien Untertanen zu machen, und mit ihrer Hilfe den Adel zu entmachten und zu enteignen. Denn die Schwächung des Hauses Habsburg durch den Adel nahm zu, doch für die Umsetzung solcher Pläne war es bereits zu spät.

Der historische Georg Stefan Sternberg war ein ewiger Zankapfel zwischen dem päpstlichen Nuntius und Rudolf II: er war der einzige und letzte Protestant unter den Ministern.

Der historische Feldmarschall Hermann Christoph Graf von Rusworm, guter Freund des Kaisers, dem dieser viel zu verdanken hatte, wurde durch eine Intrige am Hof (an der Kammerherr Philipp Lang massgeblich beteiligt war) zum Tode verurteilt. Der Kaiser unterschrieb das Todesurteil. Knapp darauf wollte es widerrufen, jedoch kam sein Bote um eine Stunde zu spät. Vor seiner Enthauptung verfluchte Rusworm den Kaiser: „... er wird in grosses Unglück geraten und um alle seine Königreiche und Länder kommen.“ Das trat schliesslich auch ein.

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