Wiener Zeitung, 01.06.2009, Stephan Burianek

Wunderkammern einer Traumfabrik

Opern-Uraufführungen sind in Wien trotz beachtlicher Subventionierung der Festwochen und dreier Opernhäuser nur selten zu sehen. Begründet wird diese Schmach von den Verantwortlichen meist mit einem vermeintlichen Zusammenspiel von hohen Kosten und geringer Nachfrage. So liegt es an einer Gruppe wie dem sirene Operntheater, in einer Fabrikhalle das Gegenteil zu beweisen.

Kürzlich wurde im Rahmen der neunteiligen Kollektivoper "Nachts!" (nach dem Roman "Nachts unter der steinernen Brücke" von Leo Perutz) das zweite Kapitel mit dem Titel "Der entwendete Taler" aus der Taufe gehoben. Es war dies die erste Opern-Komposition des im Jazz und in der Neuen Musik beheimateten Oskar Aichinger. Kein Wunder also, dass der Abend mitunter an einen jazzigen "Wozzeck" erinnerte.

Das Drama wechselt sich in der reichen Komposition mit Sprechgesang ab, während die hörenswerte Orchesterbegleitung weitgehend auf effektvolle Dramatik verzichtet. Kristine Tornquist, die auch das Libretto schrieb, setzte ihre "Kästchenregie" fort: Wunderkammern gleich, öffneten alt-biedere Kleiderkästen ihre fantastischen Innenleben. Der vom jungen Rudolf II. beobachtete Lauf des zuvor von ihm gestohlenen Talers wurde mittels einer Choreografie inszeniert, die in dieser Form auch an renommierten Häusern zu sehen sein hätte können.

Reizend der Knabe Leon Kusztrich als Mordechai Meisl, der Manteltaschen durchsuchend seine Familie ernährt. Ein weiteres Mal erstklassig: Das Orchester ensemble on_line. Wird das kompositorische Niveau an den kommenden Abenden gehalten, könnte sich dieser neue Opernzyklus als repertoirefähig erweisen.

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