Kronenzeitung, 03.11.2022, Oliver Láng

Packende Reise durch Sternennebel

1992 uraufgeführt, 1994 erstmals in Wien, im Odeon, gespielt: 30 Jahre alt ist René Clemencics Oratorium "Kabbala", das auch im Wiener Musikverein gegeben wurde. Nun ist es im Rahmen des aktuellen Wien Modern-Festivals, produziert vom sirene Operntheater, zu hören - eine interstellare Show im Planetarium Wien.

René Clemencic, der heuer 94jährig verstarb, war einer der grossen Gebildeten unserer Zeit. Ein Polyhistor, der zahllose Sprachen, von Latein, Griechisch und Hebräisch bis Englisch, Französisch und Italienisch beherrschte. Als Komponist, Dirigent, Munstsammler, Musiker und prominenter Spezialist für Alte Musik brannte er für Musik und Kunst. Er war Ensembleleiter der Musica Antiqua und konnte auf ein enormes Repertoire - ab dem 12. Jahrhunder bis zur Gegenwart - verweisen.

Sein Oratorium "Kabbala - Und nun war es in der Mitte der Nacht" basiert auf Texten der jüdischen, prophetischen Kabbala, der Sprache und Text er klanglich eindrucksvoll ausschöpft: Vieles gemahnt an Alte Musik. Das in hebräischer Sprache verfasste Werk - es thematisiert den "Weg der Welt und des Menschen" - ist geprägt von extrem komplexen Strukturen, Klangmeditationen. Ein Stück zum Sich-Versenken.

Rhythmisch prägnant und vielschichtig, wirkt es doch stets transparent, kleinteilig, an der Sprache orientiert.

Die kleine, überzeugende Besetzung, nur eine Handvoll Sänger und Musiker, wird von François-Pierre Descamps geleitet: keine leichte Aufgabe, wenn man an das Dunkel des Raumes denkt. Denn die Aufführung findet im Planetarium im Wiener Prater statt, in dem die Zuhörer, in weiche Stühle versunken, Weltraumprojektionen folgen können.

Klang- und Sprachwelt werden so durch eine andere Assoziationsebene erweitert: eine spannende Reise durch Sternennebel und Galaxien. Beeindruckend.

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