Die Presse, 12.11.2025, Walter Weidringer
„Abendsonne“: Schwarze Opern-Komödie im Altenheim
Eine Oper über Krankheit, Alter, Einsamkeit und schlechte Pflege muss kein Trauerspiel sein, fanden Kristine Tornquist (Text) und Tomasz Skweres (Musik).
Drei Beschwerden wegen des Nudelsalats: eigentlich ein ganz normaler Tag also in der Seniorenresidenz „Abendsonne“. Doch die Frau Direktor Schellpfeffer (Maida Karišik) ist nur noch genervt von den Oldies in ihrer Obhut. Immerhin hat sie zum Hausarzt Dr, Notnagel (Dieter Kschwendt-Michel) einen guten, erotisch-merkantil aufgeladenen Draht. Die Optimierung des Geschäftsmodells Altenbetreuung bringt beider Blut in Wallung - und geht ihnen in die Beine. Bei den "Abendsonne"-Bewohnern geht es dort nicht mehr viel hin, außer vielleicht Gicht und Gliederschmerzen. Desto mehr wird geschimpft: Die Jungen verstehen halt nichts von der Jugend!
Als Heribert Büxenstein (79) dann auch von eienm Krebs im Endstadium erfährt, ist die Stimmung erst recht gedrückt bei ihm und seinen beiden Freunden Hagedorn (Baucherl, Westerl, Hosenträger) und Sägebarth (schlurft schwach und gebrechlich daher, hält die Gehhilfe aber mit eisernem Griff).
Aber die aufgetakelte Stella Sorell liest nicht nur Allerlei aus den Tarot-Karten, sondern steckt Büxenstein auch ein geheimnisvolles Buch zu. Die Lektüre lässt ihn einen wunderlichen Plan fassen: Er will wiedergeboren werden! Dazu muss er sich "nur" in eben jener Nacht töten, in der in der Nähe ein Kind gezeugt wird: Da raus, da rein, Seele! Das Greisengremium der drei Freunde muss tagen - und den Masterplan schmieden: Die nette Pflegerin Mira und ihr neuer Kollege Mirko sind zu verkuppeln, sie als Universalerbin einzusetzen, ihre Pille gegen Vitamintabletten auszutauschen: Man möchte schließlich nicht verhütet werden...
Librettistin und Regisseurin Kristine Tornquist liebt es, Probleme der Gegenwart aufzugreifen und ihnen einen fantastisch-surrealen Twist zu verleihen. Nun hat das von ihr und Jury Everhartz betriebene "sirene Operntheater" wieder eine Kooperation mit Wien Modern im Jugendstiltheater Baumgartner Höhe auf die Bühne gebracht. "Abendsonn" ist, komponiert von Tomasz Skweres, ein in Summe vergnügliches schwarzes Komödchen geworden. Wenn sich auch nicht um alles ein perfektes Logik-Schleifchen binden lässt.
Das Ensemble Phace ist wie gewohnt auf der Hinterbühne postiert, nützt aber unter Antanina Kalechyts auch dort Griffigkeit und Farbenreichtum von Skweres' Musik zu wohldosierter Präsenz. Für Wortdeutlichkeit ist auch mit der Nützung der ganzen Bandbreite von gesprochenen Dialogen bis zum vollmundigen Operngesang gesorgt. Die Klänge sind im guten Sinn eklektisch und malen mit Quasi-Zitaten und Stilanklängen Stimmungen, ohne einen übergeordneten Fluss aufzugeben.
Leise, hohe Akkordeontöne mögen poetisch von fernen Erinnerungen künden - oder auch ironisch pfeifende Hörgeräte andeuten. In Vielem scheint das an Benjamin Britten geschult: in koloristischen ostinati oder auch der Liebesarabesken von Mirko und Mira (Vladimir Cabak, Ewelina Jurga), die sich zum jazzigen Tango auswachsen. Johann Leutgeb ist als Büxenstein auch um baritonale Schmerzenskantilenen nicht verlegen, Horst Lamnek und Andreas Jankowitsch sekundieren als schlurfende, tapsende Mitverschwörer, und die Stella von Juliette Mars plustert sich zur das Schicksal in Händen haltenden Instanz auf.





























