Die Presse, 27.03.2007, Gerhard Kramer

Fünf Personen suchen den Mond

Vor drei Jahren wirkte das erste „Operellen“-Projekt der umtriebigen Multikünstlerin Kristine Tornquist durchaus erfrischend: Je eine Handvoll österreichischer Schriftsteller und Komponisten war aufgerufen, mittels einer vorgegebenen Gruppe von Figuren je ein musiktheatralisches Dramolett, eine „Operelle“, von etwa zehnminütiger Dauer zu verfassen.

Dasselbe Konzept bereitete jetzt bei seiner zweiten Auflage – abermals in einer Koproduktion des Tiroler Landestheaters mit dem sirene Operntheater – bedeutend weniger Freude. Mehrere Ursachen waren dafür maßgebend. Zunächst schon die Konstellation der Personen: Mann (Frau) im Mond, Astronaut(in), Briefträger(in), Koch/Köchin, Galileo Galilei – wie reimt sich das zusammen? Für das Libretto von Daniel Glattauer („Falsch verbunden“) waren das lediglich die Namen der Teilnehmer in einem virtuellen Chatroom. Johannes Schrettle („Play it like Rosie“) entwarf die Geschichte dreier Jugendfreunde, reinen Studentenulk lieferten Barbara Frischmuth („Mirabellenkompott oder Mostbirnenmus“) und Günter Rupp („Fröhliche Wissenschaft“), dadaistische Wortfetzen produzierte ein Literat namens Händl Klaus („vom mond“).

Einzig Kristine Tornquist selbst („Monduntergang“) und Antonio Fian („Tod auf dem Mond“) boten zumindest nachvollziehbare Handlungsskelette: Bei Tornquist stürzt, während Galilei seine Fernrohre erläutert, der Mond auf die Erde. Und bei Fian sehnt sich der Konsonanten spuckende Mann im Mond („Dr Mnd st fggngn...“) nach den ihm verheißenden Vokalen, die ihm endlich von drei Astronauten überbracht werden – der einzig wirklich komische Einfall des Abends.

Hier stimmten auch Text und Musik am besten zusammen. Herwig Reiter hat dazu für das kleine Instrumentalensemble eine humorvolle, klangvoll instrumentierte, abwechslungsreiche Partitur geschrieben; sie bezieht neben der bekannten Claudius-Vertonung von Johann Peter Schulz ungeniert auch Elemente der U-Musik ein. Zuvor hatten sich Johanna Doderer (für Glattauer) zumeist tonale Ostinati, Hannes Raffaseder (für Schrettle) rhythmisch Akzentuiertes, Ulrich Küchl (für Frischmuth) liebliche Romantik, René Clemencic (für Tornquist) Monodisches mit viel Schlagzeug einfallen lassen. Die Musik von Jury Everhartz (für Rupp) schien ein wenig konfus; am radikalsten hatte Klaus Lang (für Händl Klaus) gearbeitet, der endlos Einzeltöne unter die abgerissenen Silben der Sänger legte.

Sorgsam realisierte das alles Leif Klinkhardt am Pult des Tiroler Ensembles für Neue Musik. Mit den guten Leistungen der vier Sänger – den allzu scharfen Sopran vielleicht ausgenommen – sowie der wandlungsfähigen Schauspielerin wäre man noch zufrieden gewesen, hätten sie sich insgesamt einer deutlicheren Diktion befleißigt. So aber blieb man gegenüber dem (Nicht-)Geschehen auf der Bühne des Jugendstiltheaters über weite Strecken ratlos; zumal das Einheitsbühnenbild von Julia Libiseller – eine Küche mit vielen Türen, Klappen und Laden – keine Hilfe bot und auch die Regie von Frau Tornquist oftmals unbeholfen wirkte.

Schade um die nette Idee!

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