THE GREAT LEARNING - LIMITS
SCIENCE. Eine Reihe von Lectures und Vorträgen zur Uraufführung der Abendsonne, kuratiert von Isabelle Gustorff und Jury Everhartz. An allen Vorstellungstagen im Jugendstiltheater jeweils vor der Vorstellung um 18.30 Uhr. Alle hier genannten Veranstaltungen sind frei zugänglich.
10.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Im Ende einen Anfang finden - Gedanken einer Palliativmedizinerin
Univ.-Prof.in PDin DDr.in Eva Katharina Masel, MSc
Fachärztin für Innere Medizin mit Spezialisierung in Palliativmedizin
Abteilungsleiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin und stv. Ärztliche Direktorin AKH Wien
Was bleibt, wenn der Tod nahe rückt? In der Palliativmedizin geht es nicht nur um das Sterben, sondern vor allem um das Leben, bis zuletzt. Der Vortrag soll einen ehrlichen und zugewandten Blick auf die letzte Lebensphase eröffnen: auf Abschied und Verbundenheit, aber auch auf die Möglichkeit, im Ende noch Sinn, Beziehung und sogar Trost zu finden. Anhand von Erlebnissen aus der täglichen Praxis und Auszügen aus dem Buch "Gut gelaufen - Schöne Abschiede vom Leben" soll sichtbar werden, dass der Tod nicht nur Grenze, sondern auch Übergang ist, und dass in der Begegnung mit der Endlichkeit oft eine neue Form des Anfangs liegt.
Eva Katharina Masel ist Fachärztin für Innere Medizin mit Spezialisierung in Palliativmedizin. Sie ist Leiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin am Allgemeinen Krankenhaus Wien der Medizinischen Universität Wien sowie Stellvertretende Ärztliche Direktorin am Allgemeinen Krankenhaus Wien. Sie hat zahlreiche Publikationen veröffentlicht und ist Vorstandsmitglied der österreichischen Palliativgesellschaft sowie Mitglied nationaler und internationaler Fachgesellschaften.
12.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Für immer und ewig
Eva Maria Bachinger
Journalistin und Autorin in Wien, Buchveröffentlichungen
Longevity, also Langlebigkeit, bedeutet länger und gesünder als der Durchschnitt gesund zu leben. Aus sinnvollen Empfehlungen für mehr Gesundheit wie viel Schlaf oder viel Bewegung ist längst ein Megatrend geworden und ein gigantisches Geschäftsfeld. Yoga alleine reicht nicht mehr: Medizin und Technik sollen natürliche Grenzen immer weiter ausdehnen, Krankheiten und die Hinfälligkeiten des Alters ausmerzen, am besten bis in die Unendlichkeit, in alle Ewigkeit. Letztlich soll der Tod selbst, die größte narzisstische Kränkung, eliminiert werden. Doch was sind die Folgen für uns und alle anderen Lebewesen, wenn der Mensch sich immer mehr als letzte Instanz sieht, als Schöpfer seiner selbst?
Eva Maria Bachinger schreibt als Journalistin für die Salzburger Nachrichten, die Wiener Zeitung, Der Standard, Mo-Magazin für Menschenrechte, Die Furche, Südwind-Magazin, Augustin, und den Falter. Sie veröffentlichte mehrere Bücher, darunter Kind auf Bestellung und Die besten Bergsteigerinnen der Welt, sowie gemeinsam mit Gerald Lehner Im Schatten der Ringstraße , gemeinsam mit Martin Schenk Die Integrationslüge.
13.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Neue Geister. Okkulte Phänomene in der Kunst um 1900
Dr. Ivan Ristić
Kunsthistoriker und Senior Kurator, Leopold Museum Wien
Kann die Kunst abseits der christlichen Bildtradition spirituell sein? Darf sie die Sterblichkeit des Menschen in Frage stellen? Um 1900 waren viele Künstler:innen der Ansicht, dass dies nicht nur möglich, sondern geradezu notwendig war, auch in Wien. Theosophie, Geisterkunde und die Fortschritte in der wissenschaftlichen Erforschung unsichtbarer Strahlen ermutigten Maler wie Egon Schiele oder Oskar Kokoschka zu einer Suche nach verborgenen Wahrheiten. Durchleuchtete, auratische Körper und fesselnde Blicke waren Kennzeichen dieser neuen Kunst mit visionärem Weltbezug. Esoterische Querverbindungen zwischen Lebensreformer:innen, Expressionist:innen und Pionier:innen der Abstraktion belegen deren Bedürfnis nach einer gesteigerten Spiritualität in Zeiten der Verstädterung und Industrialisierung.
Ivan Ristić ist seit 2014 ist er Kurator im Leopold Museum. Zu den im Leopold Museum von ihm kuratierten Ausstellungen zählen „Farbenrausch. Meisterwerke des deutschen Expressionismus“, „Fremde Götter. Faszination Afrika und Ozeanien“, „Deutscher Expressionismus. Die Sammlungen Braglia und Johenning“, „Die Sammlung Schedlmayer. Eine Entdeckung“ sowie monografische Ausstellungen zu Joannis Avramidis, Victor Hugo, Zoran Mušič, Emil Pirchan und Franz Hagenauer. Er ist Autor und Mitherausgeber mehrerer Publikationen zur Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts.
14.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Endlich leben - im Spannungsfeld von Alter, Abschied und Tod
Ingrid Marth B. A.
Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin mit Zusatzausbildung in Palliative Care, Caritas Socialis
Wir leben in einer Zeit, in der Vergänglichkeit und Endlichkeit den technologischen Allmachtsphantasien der "Transhumanisten" gegenüberstehen, die den Tod abschaffen möchten. Durch die demographische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt werden multimorbide Menschen älter, sie sind zunehmend angewiesen auf Hilfe und einsam. Ein gravierender Pflegefachkräftemangel macht die Situation nicht einfacher. Von der Hospizbewegung können wir lernen, was wir schon jetzt dazutun können, um ein erfülltes und reiches Leben zu führen. Verbundenheit und Teilhabe erfahren, füreinander da sein, Räume schaffen, wo wir einander zuhören und uns umeinander sorgen. Im Wissen um die Endlichkeit endlich zu leben – wie schaffen wir das?
Ingrid Marth, langjährige Leiterin des Mobilen Palliativteams der CS Caritas Socialis, wird am 14. November einen Vortrag im Jugendstiltheater halten. Ingrid Marth wird vor der Inszenierung der Kammeroper "Abendsonne" über ein gutes Leben im hohen Alter, Abschied und Tod sprechen.
15.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Älter werden und sterblich sein - in der Kunst und im Leben
Dr. Klaus Speidel
Kunsttheoretiker, Kritiker und Kurator, Universität für angewandte Kunst Wien
Der Vortrag konzentriert sich auf den künstlerischen und philosophischen Umgang mit dem "Sterblich sein", dem Unfassbaren und Unaussprechlichen. Durch die Verknüpfung von künstlerischer Intuition und philosophischer Reflexion (und andersherum) bietet er am Beispiel des Todes Einblicke in die Arten, wie Kunst und Philosophie das Unsagbare erforschen und darstellen und wirft dabei Licht auf die Möglichkeiten der Kunst, Aspekte des menschlichen Daseins zu erfassen, die sich einer direkten Beschreibung entziehen.
Klaus Speidel ist Philosoph, Kurator, Kunstkritiker und Ko-Kurator der Ausstellung „Sterblich sein" im Dom Museum Wien. Er hat an der Sorbonne zum Thema visuelles Erzählen promoviert und an der Universität Wien ein FWF Postdoc Projekt zum Thema Bilderzählung geleitet. Klaus Speidel hält international Vorträge und unterrichtet regelmässig Kunst- und Bildtheorie an der Universität für angewandte Kunst Wien, dem Paris College of Art und der Universität Wien und schreibt unter anderem für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, The Brooklyn Rail, The Art Newspaper, Spike und Parnass.
16.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Orpheus ohne Unterwelt. Aus der Spitalshölle
Dr. phil. Franz Schuh
Schriftsteller, Kritiker und akademischer Lehrer, Universität für angewandte Kunst Wien
Wie die meisten Menschen befasse ich mich mit der sogenannten Endlichkeit: „Woans amoi aus wird sei, mit einer Musi und an Wei“, singt man im Wiener Lied, das - wie soviel Wienerisches -eine Mogelpackung ist: Das Lied gibt vor, den Tod ernst zu nehmen, taucht ihn aber in Sentimentalität darüber ein, dass man eh noch besoffen am Leben ist. Aber wer sollte an den Versuchen, die Endgültigkeit zu kompensieren, Kritik üben? Wozu gäbe es dann Wissenschaft, Kunst, Religion und, ja, sogar den banalen Alltag, in den Menschen wie in einem Schutzschild eingehüllt sein können?
In meinem letzten Buch: „Steckt den Sand nicht in den Kopf“ steht ein kurzer Aufsatz, geschrieben aus persönlicher Erfahrung: „Wie man eine schwere Krankheit übersteht.“ Etwas fiel mir auf, vor allem durch das Angebot, in diesem Rahmen einen Vortrag über „die Dinge des Lebens“ halten zu dürfen. Ich hatte über Leidenschaft (im Sinne von Patient- und Kranksein) schon früher nachgedacht , als ich noch „relativ ganz gesund“ war. Für den Vortrag habe ich Überlegungen und Notizen gesammelt und den Text, anlassgebunden, zusätzlich erweitert. Ein Schluss: Krankheit und Genesung sind (ebenso wie ihre Reflexion, wie die Nachdenklichkeit, die sie auslösen) komplexe Vorgänge, die sich in unserer Spätmoderne besonders schwer beschreiben lassen: Wir haben ein „Gesundheitssystem“, den Kranken stehen Ärzte gegenüber,
manchmal stehen sie ihnen auch entgegen. Patienten können sich ihrerseits auch den Ärzten widersetzen – man sollte den Mann nicht vergessen, der wegen einer nicht verheilten Prostataentzündung den Urologen erschoss. Daran sieht man, wie „gesellschaftlich“ definiert Krankheit sein kann: Die Tat ist ein hässlich leuchtendes Fanal, ein Feuerzeichen des Patriarchats.
Franz Schuh studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Seine akademische Laufbahn führte ihn unter anderem an das Institut für Philosophie der Universität Wien, wo er als Lehrbeauftragter tätig war. Parallel zu seiner wissenschaftlichen Arbeit entwickelte Schuh eine vielseitige publizistische und literarische Tätigkeit. Als Essayist, Kolumnist und Autor wurde er einem breiteren Publikum durch seine Beiträge in Medien wie Profil, Falter, Die Zeit und dem Radiosender Ö1 bekannt. Sein literarisches Werk umfasst Essays, Romane und autobiografische Texte. Charakteristisch für seine Texte ist eine Verbindung von philosophischer Reflexion, gesellschaftlicher Analyse und persönlicher Erfahrung, oft getragen von Ironie und Skepsis.
17.11.2025 18.30 Uhr | Ö1
Ars moriendi
Univ. Prof. em. Dr. Thomas Macho
Kulturwissenschaftler und Philosoph, ehemals Direktor des Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften
Die Lehre von der ars moriendi, der Kunst und Praxis des guten Sterbens, gilt spätestens seit der Antike als wichtiges Element der Lebenskunst. Sie legt das Fundament für alle Versuche, eine Allianz von sterblichen Menschen zu bilden, die weder sich selbst noch ihre gewählten Herrscher mit Göttern verwechseln. Vielmehr gehört das Wissen um die eigene Sterblichkeit, vielleicht sogar die meditative Vorwegnahme des eigenen Todes, zu den Praktiken souveräner Bürgerinnen und Bürger. Die ars moriendi gleicht daher keinem Totstellreflex, sondern eher einer Unabhängigkeits-erklärung. Sie ist "Vorbedenken der Freiheit", bemerkte Michel de Montaigne. Denn wer "sterben gelernt hat, hat das Dienen verlernt. Sterben zu wissen entlässt uns aus jedem Joch und Zwang." Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho kommentiert die ars moriendi, die spätmittelalterliche Literatur zur Vorbereitung auf einen guten Tod, unter Bezug auf verschiedene Beispiele aus der Kunstgeschichte. Dabei wird es auch um die Frage gehen, inwiefern die Künste das christliche Versprechen der Auferstehung und eines ewigen Lebens transformiert haben: „Sind es spätestens im Zuge der Aufklärung und Säkularisierung nicht mehr die Körper, sondern die Kunstwerke, die einen Anspruch auf Unsterblichkeit erheben dürfen?"
Thomas Macho forschte und lehrte als Professor für Kulturgeschichte am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität Berlin. 1984 habilitierte er sich für das Fach Philosophie an der Universität Klagenfurt mit einer Arbeit über Todesmetaphern. Von 2016 bis 2023 leitete er das Internationale Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) der Kunstuniversität Linz in Wien. 2020 wurde er mit dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie seit 2023 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zu seinen neuesten Monographien zählen „Warum wir Tiere essen" und „Sehen ohne Augen".







