Musique de scène - die Komposition

Einer der originellsten Komponisten der Nachkriegszeit. Der Klangfarbenreichtum Barraqués ist gewaltig. Die Klänge sind flirrend in Bewegung wie Kolibriflügel. Die Zeit 1998

In den Jahren 1958/59 komponierte Jean Barraqué eine Musique de scène zu kurzen Stücken von Jean Thibaudeau. Die sechs Theaterminiaturen entstanden in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre; sie blieben unveröffentlicht. Dieses Werk wurde später von Barraqué unter dem Titel …au-delà du hasard neu geschrieben und stark erweitert.

Es sieht Sprechstimmen und Instrumentalensemble vor und ist von einer rein linearen Dramaturgie weit entfernt. Die Besetzung ist: 4 Klarinetten (Bassklarinette), 3 Saxophone (Alt, Tenor, Bariton), 2 Trompeten, 2 Posaunen, Tuba, Schlagzeug (3 Spieler), Xylophon, Vibraphon, Celesta, Glockenspiel und Klavier. Es gibt zwei Erzähler, Der Abenteurer und Der arme Mann.

Das Manuskript der Musique de scène wurde 2017 von Laurent Feneyrou in der französischen Nationalbibliothek wieder entdeckt. Es hat 36 Seiten und wird vom Bärenreiter Verlag für eine musikalische Wiedergabe neu herausgegeben, trotz völligen Fehlens dynamischer Angaben, die aber aus der Partitur von …au-delà du hasard rekonstruiert werden können.

Die Musik hat sehr streng geschriebene Teile, aber auch einige wenige, die eher frei gehalten sind. Das Werk, das erste, in dem Barraqué mit sich weiterentwickelnden Reihen (séries proliférantes) arbeitete, also eine serielle Kompositionstechnik, besteht aus mehr oder weniger kurzen Fragmenten. La chambre beispielsweise hat nur fünf Takte. Die Comédie intrigante ist in zwölf Abschnitte unterteilt, zwei davon haben insgesamt elf Takte. Le voyage und Le regard sind in ihrer Entwicklung sehr konsequent, hier beweist Barraqué seine grosse Kraft als Lyriker (lyrisme éruptif). Die Stücke muten wie „Scherben“ oder „Bruchstücke“ an und werden in …au-delà du hasard einige Jahre später zu einem echten Mosaik.

Lexikon | Dr. Marie Luise Maintz im Interview mit Jury Everhartz in [t]akte 1/2017