Wiener Zeitung, 23.11.2022, Christoph Irrgeher

Wien Modern: Klangkosmos mit Kramuri.
George Crumbs "Makrokosmos" mit szenischem Beiwerk im Jugendstiltheater

Nachdem im Parlament ein "goldener Flügel" Schlagzeilen gemacht hat, prangt nun auch auf der Baumgartner Höhe ein bemerkenswertes Klavier. Ebenso aus dem Hause Bösendorfer, könnte man ihm den Beinamen "glotzender Flügel" verleihen.

Die zwei Augen, die sich im Rahmen des Festivalauftritts bei Wien Modern im Jugendstiltheater umschauen, stammen freilich nicht aus der Klaviermanufaktur, sie verdanken sich einem Trick: Ein Spiegel oberhalb des Klaviers erlaubt dem Publikum für rund 30 Minuten nicht nur Einblicke in die (unkonventionelle) Tätigkeit des Pianisten; die Fläche wird zudem mit allerlei farbigen Projektionen bespielt: ein funkelnder Blickfang.

Nur, leider: Das ist auch schon der stärkste Effekt an einem Abend von insgesamt vier Stunden mit George Crumbs Klavierwerk "Makrokosmos I-IV". Hinreißend anfangs zwar, dass hier Griffe in die Saiten-Eingeweide, elektronisch verstärkt, einen Klangraum mit schillernden Obertönen zeitigen. Erfrischend auch, dass der undogmatische Crumb (1929-2022) bisweilen ein Dissonanz-Gewitter in einen Mollakkord münden lässt und hie und da direkt Bach und Chopin zitiert. Im Verlauf der, wie erwähnt, vier Stunden nützt sich dies jedoch ab, und das szenische Beiwerk (sirene Operntheater) erweist sich als dürftig: "Makrokosmos I" findet im Beisein einer rätselhaften, rotierenden Plastikskulptur statt; der dritte Teil wird von einer rituellen Performance begleitet, bei der bierernste Menschen mit so etwas wie Löffeln im Gesicht durch den Saal schreiten. Und dann sind da immer wieder zwei "Astronauten" mit entsprechender Kleidung und Gangart (sehr langsam!). Und dafür ist man zum Jugendstiltheater gefahren? Beifall jedenfalls für das tolle Klavierspiel von Alfredo Ovalles und Martyna Zakrzewska und für die Perkussionisten Igor Gross und Emanuel Lipus im dritten Teil.

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