Online Merker, 14.11.2025, Elisabeth Dietrich-Schulz

Das sirene Operntheater punktet mit einer Uraufführung bei Kritik und Publikum!

Tod auf der Opernbühne ist „normal“. Meist geht es um eine tragische Liebesgeschichte, die blutig endet. Hier nicht! Kristine Tornquist entführt in die Seniorenresidenz ABENDSONNE, wo Leben und Sterben eng beieinander passieren. Die Regie schafft eine gelungene Mischung aus Tragik und Komik.

Das Altersheim ist für seine betagten Bewohnerinnen und Bewohner die letzte Station ihres Lebens mit wenig Pflegepersonal und einer auf Gewinnmaximierung bedachten Leitung. Drei alte Herren – Heribert Büxenstein, Herrmann Hagedorn und Hartmuth Sägebarth – trinken Kaffee und Rotwein und wären gerne noch jung. „Wenn ich noch jung wär, ich könnte … ich wüsste …“

Als der pensionierte Arzt Büxenstein eine Krebsdiagnose erhält, weiß er, dass er bald sterben wird. Stella, eine dem Okkulten zugeneigte Mitbewohnerin, steckt ihm ein Büchlein zu, das für ihn zur „Fahrkarte zur Wiedergeburt“ werden könnte. Es braucht ein junges Liebespaar, das der Seele des Sterbenden ein Kind als neues Obdach zeugt. Der Plan der drei findigen Senioren scheint aufzugehen. Pflegerin Mira und Pfleger Mirko werden ein Paar, doch die Liebesnacht wird gestört. Heribert Büxenstein und Hartmuth Sägebarth sterben ohne Wiedergeburt. Die Heimleitung hat rasch einen lukrativen Plan. Der Tod von Heimbewohnern wird vertuscht. Man lässt die Toten bei der Versicherung weiterleben.

Vielleicht hat die Autorin Kristine Tornquist ein paar Anregungen bei Friedrich Dürenmatts „Physikern“ gefunden oder Stella ein wenig an Claire Zachanassian aus „Der Besuch der alten Dame“ angelehnt? Das ist nicht verboten! Kristine Tornquist schrieb rund 50 Libretti, die vertont wurden, und inszenierte mehr als 80 Opern bzw. Musiktheaterwerke auch immer wieder für das sirene Operntheater. Kristine Tornquist setzte in ihrer Regie viele humorvolle Akzente, besonders originell ist der immer wieder einknickende Weihnachtsbaum.

Der Komponist Tomasz Skweres (*1984) studierte Komposition und Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Er lebt in Wien und in Regensburg. Werke von Skweres wurden bisher in über 20 Ländern auf 6 Kontinenten aufgeführt Das 13-köpfige Ensemble Phace, unter der Leitung von Antanina Kalechyts, war auf der Bühne hinter den Akteuren und – durch das Bühnenbild weitgehend unsichtbar – für das Publikum platziert. Die interessante Instrumentation umfasste Flöte, Klarinette, Saxophon, Horn, Posaune, Akkordeon, Schlagwerk 1 + 2, Harfe, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass.

Das Ensemble überzeugte mit einer grandiosen Gesamtleistung. Horst Lamnek als Herrmann Hagedorn, Juliette Mars als Stella Sorell, Johann Leutgeb als Heribert Büxenstein und Andreas Jankowitsch als Hartmuth Sägebarth, Christa Stracke als Lotte Lange, Ewelina Jurga und Vladimir Cabak als Pflegerpaar,  Maida Karišik und Dieter Kschwendt-Michel als Heimmanagerin und Hausarzt.

Bühne: Markus und Michael Liszt , Kostüme: Nora Scheidl, Lichtregie:  Alexander Wanko, Videoprojektionen: Germano Milite.

Begeisterter Schlussapplaus!

Dauer: 100 Minuten ohne Pause.

Die Premiere war ausverkauft. Für die übrigen Aufführungen gibt es noch Karten. Die Anreise mit Öffis ist möglich: vom Knoten Ottakring mit dem Bus 48A bis zur Baumgartner Höhe 1.

Noch eine Anmerkung zum Thema Übertitelung. Es werden – wie auch in den anderen Wiener Opernhäusern – nur die Musiktexte übertitelt, nicht die Sprechpassagen. Schade!

WIEN/ sirene Operntheater im Jugendstiltheater / ABENDSONNE
Kammeroper von Tomasz Skweres (*1984)
Libretto von Kristine Tornquist (*1965)

Aufführung 13.11.2025 (Premiere 10.11.2025, Vorstellungen bis 17.11.2025)
Im Rahmen des Festivals WIEN MODERN

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