Die Furche, 06.12.2023, Walter Dobner (pdf)

Wien Modern: Zauber und Klangmagie der Modern

Kurt Schwertsiks „Alice. Eine phantastische Revue“ (Kostüme und Bühne: Mirjam Mercedes Salzer) ist eine gedankenvoll konzipierte und szenisch klug gestaltete Produktion. Außerdem ist sie ein Beispiel dafür, dass zeitgenössisches Musiktheater durchaus unterhaltsam sein kann. Dabei ist „Alice“, wenn auch in Dur und Moll konzipiert, ein durchaus avanciertes Musiktheater. Die Musik, mit der der seinerzeit auch bei den Darmstädter Ferienkursen sozialisierte Komponist ausgewählte Szenen aus Lewis Carrolls Klassikern „Alice’s Adventures in Wonderland“ und „Through the Looking-Glass“ illustriert und kommentiert, besticht durch Eindrücklichkeit, Diskretion, hintergründigen Charme und meisterliche Kunstfertigkeit.

Zudem verbindet sie sich ideal mit dem Libretto, das Co-Regisseurin Kristine Tornquist aus Lewis Carolls hintergründigen Texten gefiltert hat und in 26 aphoristischen Szenen auf die Bühne bringt. Von der blauen Raupe, der Herzkönigin, dem Hutmacher, den geschwätzigen Blumen, der Maus, Tweedledum und Tweedledee bis zur schrillen Tea Party und den Auftritten der genauso pointiert aufs Korn genommenen Königsfamilie ‒ um nur einige der Szenerien anzudeuten ‒ findet sich so gut wie alles in diesem ironisch gefärbten Panorama, hinter dem sich die Reminiszenzen über das Erwachsenwerden einer Person verbergen.

„You are nothing but paper. Nothing but pieces of paper!“, heißt es am Ende dieser Revue. Letztlich sind es nur Papiertiger, mit denen sich Alice in diesem an Skurrilitäten reichen träumerischen Wunderland herumschlagen muss. Das demonstrieren auch die schrulligen Papierkostüme in dieser von Max Kaufmann inszenierten Produktion des Serapions Theater unmissverständlich. Sieben höchst engagierte Solistinnen und Solisten – im Mittelpunkt Ana Grigalashvili als schweigende Alice ‒ und 24 Instrumentalistinnen und Instrumentalisten des Das Rote Orchester unter François-Pierre Descamps sorgten für den geforderten musikalischen Revue-Mix. Diskursive Unterhaltung mit Mitteln der Gegenwart. Man sollte es gesehen haben, und bis Silvester bietet sich dazu Gelegenheit genug. (...)

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