24.09.2018, Der Standard, Stefan Ender | 25.09.2018, Klassik-Blog

sirene Operntheater zeigt "Jeanne & Gilles" als Kampfgefährten. Die Oper verquickt die Schicksale von Jeanne d'Arc und Gilles de Rais – mit Schlagseite zum Kindermärchen

Wien – Gesetzt den Fall, jemand sagt, dass Gott ihm befohlen habe, für ihn in den Krieg zu ziehen und Menschen zu töten. Hat der dann einen Poscher? Beim Jihadisten von nebenan wird jeder sagen: definitiv! Bei Jeanne d'Arc variierte das Urteil: Erst war die Frau der Hero (1429 nach der Befreiung von Orléans), zwei Jahre später wurde sie als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt, aktuell ist sie heiliggesprochen.

Das sirene Operntheater ist Wiens schneller Brüter für Musiktheater-Uraufführungen, knapp 30 hat man in 20 Jahren gestemmt. Nun zeigt man im stilvoll patinierten Reaktor in der Geblergasse Jeanne & Gilles, eine Oper, die das Schicksal von Jeanne d'Arc mit jenem von Gilles de Rais verknüpft, einem ihrer Kampfgefährten und hundertfachen Kindsmörder.

Kristine Tornquist (Regie und Libretto) arbeitet mit fahrbaren Stellwänden, auf denen Landschaftsbilder und Schlachtenszenen zu sehen sind (Bühne: Hanno Frangenberg). Überhaupt ist alles so idyllisch: Die weich singende Lisa Rombach erinnert als Jeanne d'Arc an Jennifer Greys "Baby" in Dirty Dancing. Mit einem geschmeidig-hellen tenore di grazia ist Paul Schweinester gesegnet, die Abgründe des Gilles de Rais tun sich eher abseits des Vokalen auf.

Johann Leutgeb als innig empfindender Mönch Jean Pasquerel, Andreas Jankowitsch als polternder Bösewicht Etienne de Vignolles und Bernd Lambauer als Jean d'Orléans komplettieren das Ensemble dieser Produktion, die insgesamt eine leichte Schlagseite hin zum Kindermärchen hat.

Komponist und Dirigent François-Pierre Descamps malt für die ariosen Erzählungen der Sänger mit seinem streicherlastigen Ensemble variable Klanghintergründe, die Erregung, noblen Pathos und einen Hauch von Hollywood in gemäßigt moderner Tonsprache und swingenden Rhythmen (3+2+3) transportieren.

Tornquist bekommt als Librettistin nach der Hinrichtung ihrer Protagonisten sogar noch ein lieto fine hin: Gottes Stimme, das sei nicht der Aufruf zum Krieg, sondern das Zwitschern der Vögel, weiß der Mönch.

Begeisterung dafür im Reaktor.

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