Wiener Zeitung, 02.09.2020, Christoph Irrgeher

"Ewiger Frieden": Trauerrede aus dem Sarg

In Wien-Liesing hat das Opernfestival "Die Verbesserung der Welt" begonnen.

Sollte das Ziel der Gegenwartskunst in der Ausdehnung von Grenzen bestehen, hat dies die Operngruppe "sirene" allein schon durch ihren Veranstaltungsort bewerkstelligt: Ihr Festival "Die Verbesserung der Welt" - mit sieben Uraufführungen bis November - findet in der Breitenfurter Straße 176 in Wien-Liesing statt. Wem das nichts sagt: Das ist eine Region, in der sich Firmenbauten, Gstetten und futuristische Wohnhäuser Marke Mondstation gute Nacht sagen - und wo eben auch etwas steht, das Kulturstrategen einen "dezentralen Spielort" nennen: eine aufgelassene Fabrik mit dem zeitgeistigen Namen F23.

Die Fernreise bleibt aber nicht unbelohnt: In den weiträumigen Hallen stellt sich ein Gefühl der Entrücktheit ein und damit vielleicht auch eine nützliche Distanz, um über die Verbesserung des Planeten zu grübeln. Und dass hier bis zum Jahr 2013 Särge hergestellt wurden, passt zur ersten der sieben Kammeropern, dem "Ewigen Frieden" von Texterin Dora Lux alias Kristine Tornquist und Tonsetzer Alexander Wagendristel: Die makabre Groteske kreist um den Sarg eines Putin-Soldaten aus dem Ukraine-Krieg - jenem Konflikt, der offiziell ohne eine Beteiligung der russischen Armee begonnen hat. Dieser Behauptung verdankt sich dann auch die bittere Schlusspointe: Am Ende des Einstünders ist der Tote, der mittendrin lauthals aus der Kiste singt, aus dieser verschwunden, sehr zur Verwunderung der beiden Pompfüneberer rundum. Die sehen gerade dadurch aber ihr Vertrauen in die Politik bestärkt: Die Mächtigen lügen nie, sagt der eine - weil das, was sie sagen, zur Wahrheit wird.

Etwas slapstickhaft bewegt von der Regie (Kristine Tornquist), wechseln die Sänger zwischen Parlando und inbrünstiger Kantilene (prächtig: Evert Sooster); das Ensemble Reconsil bringt Klangkulissen atonalen Zuschnitts ein, gemixt mit Anleihen an Folklore und Choräle: komplex, aber nicht penetrant. Trotz kleiner Längen: alternative Oper mit Witz.

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