Die feine Lichtkante des Komischen

Ich nehme beim sirene Operntheater oft die Doppelrolle von Librettistin und Regisseurin ein. Auf den ersten Blick schaut das danach aus, als müsste ich da mit mir am gleichen Strang ziehen und alles sozusagen in einen Guss bringen. In Wahrheit ist es aber meistens so, dass ich als Regisseurin ein Gegengewicht schaffe zu dem, was ich als Librettistin gewichtet habe. Dem Witz im Libretto begegne ich mit der Ernsthaftigkeit von Figuren, die es selbst nicht komisch finden. Und schwierige Themen oder Pathos unterlaufe ich gern mit Komik.

Denn Komik und Tragik sind wie Licht und Schatten, die eine Kugel - die Weltkugel, die Opernkugel - erst rund machen.

Gute Komik ist nur in der Fallhöhe zur Tragik zu haben. Da empfinde ich mich beim Schreiben von Libretti in der Schule von Shakespeare, von da Ponte, aber auch von Filmemachern wie Lubitsch, Chaplin oder guten Fernsehserien wie Real Humans von Lars Lundström oder Lars van Triers Riget.

Selbst wenn es um ein ernstes oder bösartiges Thema geht, gibt die feine Lichtkante des Komischen erst die räumliche Tiefe und vor allem Glaubwürdigkeit.

Die grossartige ungarische Filmregisseurin Ildiko Enyedi sagte über ihren letzten, ziemlich düsteren Film: Ich denke, man kann nur mit zumindest einem Hauch von Humor wahrhaftig sein (Körper und Seele).

Beim Schreiben interessiere ich mich weniger für Wortwitz - der kommt in der Oper ohnehin oft unter die Räder der Musik - sondern für Situationskomik (die dem Komponisten Gelegenheit zum Witz gibt).

Komik, die dadurch entsteht, dass eine Figur nicht ganz in ihre eigene Geschichte passt, dass ihr der Platz, auf den sie gesetzt ist, zu hoch oder zu eng ist. Es bleibt zwischen den Figuren und dem Plot etwas offen.

Es ist wie im Leben: man hat seine Rolle, aber kann sie nie ganz erfüllen.

Das ist auch das klassische Problem des Clowns, dass er mehr will als er kann oder weniger kann als er soll, oder soll etwas anderes als er will. In dieser Diskrepanz zwischen dem Sollen, Wollen und Können entsteht eine menschliche, komplexe Komik, die zwischen Lächerlichkeit und Mitleid schillert und damit den Betrachter in einen Gewissenskonflikt steuert, in dem er nicht weiss, soll er lachen, weinen, sich ärgern, mitfühlen oder sich fremdschämen?

Man könnte sagen: diese Komik ist das Licht, das durch die Risse im Gesellschaftsgefüge dringt. Oder mit anderen Worten: sie ist das Quietschen im Zahnradwerk der Gesellschaft. Jedenfalls ein Störfaktor im Getriebe der Logik, in der Mechanik.

Diese Mechanik empfinde ich am Theater sehr stark. Immerhin probt man bis zu fünf Wochen anhand der Partitur daran, dass jeder Ton, jede Bedeutung, jeder Schritt, jede Geste, jeder Scheinwerferwechsel festgelegt wird, bis eine Art Bühnenautomat entsteht, der reibungslos ablaufen soll. Die Witze inklusive. Das hat ja auch einmal etwas sehr Gezwungenes und Lebloses an sich.

Doch dann zeigt sich die grosse Kraft des Komischen. Wenn die Sänger mit ihren Figur Mitleid haben und sich im Komischen im wahren Sinne des Wortes verwirklichen, dann wird die Komik virulent, beginnt zu leben, befreit sich und uns, ohne dem Ernst und dem Anspruch etwas wegzunehmen oder ihn zu diffamieren.

Kristine Tornquist