Der Standard, 26.11.2023, Ljubiša Tošić (PR)

Kurt Schwertsiks "Alice" im Reich der Rätsel

Wien Modern und das sirene Operntheater laden im Odeon mit "Alice" ins Wunderland der Skurrilität, dem Kurt Schwertsik inspirierte Musik geschenkt hat

In jenem fernen Land der Wunder, in dem Blumen sprechen und leicht schwermütige Töne durch die Lüfte schweben lassen, ist ein junges Mädchen auf der Suche nach Gewissheit – auch bezüglich ihrer Identität. Unbekannt ist sie nicht. Sie stammt aus Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker Alice im Wunderland und erwacht im Wiener Odeon rund um eine Kreisfläche zu skurril-poetischem Revueleben.

Das Regieduo Kristine Tornquist und Max Kaufmann lässt eine rätselhafte Figurenwelt entstehen, die auch Alice in Staunen versetzt. In 26 Szenen trifft sie auf eine gemeine Herzkönigin, das Duo Tweedledee und Tweedledum und natürlich auf das weiße Kaninchen. Auch liegt sie im Schoß der rauchenden Raupe oder landet auf der Teeparty des Hutmachers. Das Stück mit Musik von Kurt Schwertsik (ein Projekt des Sirene-Operntheaters und des Serapionstheaters), das im Rahmen des Wien-Modern-Festivals uraufgeführt wurde, verfügt über eine Besonderheit: Die Hauptfigur entschlägt sich der üblichen Töne.

Ana Grigalashvili spricht und bewegt sich eindringlich durch den Strudel der fantasievollen Ereignisse, die mit simplen Bühnenmitteln reizvolle Illusionen kreieren. Durchgehende Technik: Sänger und Sängerinnen werden in diesem Wechsel von Körperslapstick, Tanz und opernhaften Ansätzen von stummen Figuren verdoppelt, die das Serapions-Ensemble mit ausgelassener Bewegungseleganz ausstattet.

Da fügen sich auch Personen zur Grinsekatze oder torkeln Kostümierte entlang perkussiver Rahmenmusik absurd-vornehm um die Kreisfläche. Kurt Schwertsiks Musik ist dabei nie von plakativer Exaltiertheit. Sie wirkt geprägt von feinstem Melodiegewebe, jede Linie atmet inspiriert Eleganz und Sanftheit. Die tonale Musik mit einem sehr speziell gestimmten Klavier umhüllt das episodenhafte Geschehen wie eine gütige Fee. Sie ist eine raffinierte Mixtur aus unaufdringlicher Unmittelbarkeit und poetischer Noblesse. Sie trägt und charakterisiert das Geschehen und die Vorgänge auf der Bühne quasi eindringlich unaufdringlich.

Das Rote Orchester unter der Leitung von Dirigent François-Pierre Descamps haucht die Klänge delikat aus und zelebriert die melodischen Pointen und Motive akkurat und prägnant. Dieser szenische Mix aus Poesie, Skurrilität und Komik gleicht einer reizvollen Entführung in ein Wunderland, aus dem Alice schließlich gereift herauswächst.

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