Falter, 11.10.2023, Daniel Ender

"Alles gerät ins Wanken" - Komponist Kurt Schwertsik über seine phantastische Revue "Alice"

Wunderlich sind die Geschichten in der Tat, welche die Protagonistin in Lewis Carrolls beiden Büchern "Alice's Adventures in Wonderland" und "Through the Looking-Glass, and What Alice Found There" durchlebt. Diese Welt erscheint wie geschaffen für den hintergründigen Humor des Komponisten Kurt Schwertsik, der schon immer eigene Wege voller Schalk, Witz und Hintersinn gegangen ist. "Lewis Carroll als Verfasser der Lyrics zu haben war einer der Gründe, mich in diese Welt zu vertiefen: Die Gedichte aus den Alice-Erzählungen haben mich schon beschäftigt, als ich noch kaum Englisch verstand.", sagt der Komponist. Als Einstieg ins Gespräch hat der Falter da genauer nachgefragt.

Falter: Herr Schwertsik, wann sind Sie Alice zum ersten Mal begegnet?
Kurt Schwertsik: Das erste Mal, hmm - das ist schon eine Weile her! Ich weiss es eigentlich nicht. Ich sehe diese Bilder in einer der alten Ausgaben vor mir, schon ein bisschen zerlesen ... Und es war auf Englisch. Englisch war überhaupt nicht meine Stärke, das habe ich mir erst später angelesen. Wahrscheinlich habe ich die Bücher dann auf Deutsch gelesen, aber ich erinnere mich nicht mehr genau. Später war ich dann hauptsächlich ein Fan von Winnie-the-Pooh und habe mir auch die ganze Sekundärliteratur dazu angeschafft, das Workout-Buch und die Bücher über die Philosophie von Winnie und auch von Piglet. Das hat mich schon interessiert.

Falter: Bei Winnie geht es tatsächlich um eine philosophische Sinnsuche und um ein Sinnangebot. Bei Alice ist das nicht so: Vielmehr wird ihr - existenzialistisch, nihilistisch? - der Boden unter den Füssen weggezogen...
Kurt Schwertsik: Ja, Sie haben ganz recht. Alice wird stark verunsichert, es gerät alles ins Wanken, die Verhältnisse ändern sich, sie wächst, sie schrumpft, und die Welt ist völlig unberechenbar. Es gibt diese eine furchtbare Szene, in der sie versucht, zu dem Haus zu kommen, und immer wieder am selben Ort im Irrgarten landet. Das ist wirklich eine Traumszene!

Falter: Wo war Ihr Ansatzpunkt bei der musikalischen Umsetzung?
Kurt SchwertsiK: Mein Ansatz ist eigentlich ein sehr praktischer. Ich hätte mich nie an diesen Stoff herangewagt! Aber das Angebot war so schön, mit dem Serapionstheater zusammenzuarbeiten. Ich dachte, das könnte wirklich interessant werden. Kristine Tornquist vom sirene Operntheater hat für ihr Libretto eine Auswahl von Szenen erstellt, manche viel zu komplexe Szenen mussten wir weglassen. Meine Musik wollte ich ein bisschen traumhaft haben, manchmal auch ein bisschen naiv - einfach Szenenmusik, die auf den Inhalt des Stückes reagiert. Bei der Tea Party gibt es ein verstimmtes Klavier, auf das ich mich schon sehr freu´!

Falter: Welche Figur wären Sie denn in dieser Geschichte?
Kurt Schwertsik: Hmmm, schwer zu sagen. Die Cheshire Cat vielleicht...

Falter: Die mit dem breiten Grinsen?
Kurt Schwertsik: Ja, und mit dem Verschwinden (lacht), dem plötzlichen. Aber auch was sie sagt: "You are als mad. Otherwise you wouldn't have com here."

Falter: Was ist musikalischer Humor?
Kurt Schwertsik: Der Humor in der Musik ist sehr schwer festzumachen, aber Witze gibt es schon. Der Humor liegt in der Umdeutung - dass man eine Erwartung schafft und sie anders fortführt, als der Hörer glaubt, dass es weitergeht. Dadurch entsteht die Qualität!

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