Online Merker, 24.11.2023, Harald Lacina (pdf) (Der Opernfreund)

WIEN/ Odeon: ALICE von Kurt Schwertsik - Uraufführung

Im Rahmen des Festivals „Wien Modern 36“ in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Zeitgenössische Musik gelangte Kurt Schwertsiks (*25.6.1935) neuestes musikdramatisches Werk „Alice“ zu einer fulminanten Aufführung. Kristine Tornquist verfasste den Text und zeichnete gemeinsam mit Max Kaufmann auch für die packende Personenführung verantwortlich. Koproduziert wurde diese Revue vom sirene Operntheater und dem Serapions Theater. Tornquists künstlerischer Weggefährte, Jury Everhartz, seines Zeichens Dirigent, Organist und Komponist, ersann das Konzept der abwechslungsreichen Szenen aus den berühmten Kinderbüchern „Alice’s Adventures in Wonderland“ sowie „Through The Looking Glas And What Alice Found There“ des britischen Schriftstellers, Fotografen, Mathematikers und Diakons des viktorianischen Zeitalters, Charles Lutwidge Dodgson, besser bekannt unter seinem Pseudonym Lewis Carroll (1832-96).

Für die zwischen Traum und Albtraum changierenden Szenen dieses „Stationendramas“ ersann Kurt Schwertsik die passende Musik für ein 27-köpfiges Instrumental-Ensemble, sieben Vokalisten und den Mitgliedern des Serapions Theaters.  François-Pierre Descamps dirigierte das Rote Orchester und trat auch einmal gemeinsam mit zwei Musikern als smiling Cheshire Cat (Grinsekatze) auf. Auf der Bühne sieht man zu Beginn Alice, danach treten der vervielfachte Autor Lewis Carroll sowie die skurrilen Gestalten aus dem Wunderland auf, gekleidet in üppige, aus Papier gefertigte Kostüme der Ausstatterin Mirjam Mercedes Salzer. Vedran Mandic tauchte das Geschehen auf der Bühne in eine feinfühlige Lichtregie ein. Die opulenten Masken entwarf Klara Leschanz.

Die 1984 in Tbilisi/Georgien geborene Schauspielerin Ana Grigalashvili brillierte in der Titelrolle als Alice, die übrigen Rollen, wie das weiße Kaninchen, den verrückten Hutmacher, den Märzhasen, die Herzkönigin, den Herzkönig und den Herzbuben, die Herzogin, die Raupe, die Türmaus und die geschwätzigen Blumen, übernahmen Sopran Romana Amerling, Mezzosopran Solmaaz Adeli, Countertenor Armin Gramer, Bariton Andreas Jankowitsch und Bassbariton Steven Scheschareg. Gesungen wurde auf Englisch.

Die Rahmenhandlung der Revue zeigt die Beziehung des Autors zu seiner ersten Leserin, der titelgebenden Alice Lidell (1852-1934), der Tochter des Dekans an jenem College, an dem der Autor lehrte, war. Die aberwitzige Musik Schwertsiks bedient alle Genres, von der Zirkuskapelle bis zur Filmmusik in feinen Miniaturen. Stellenweise glaubte ich auch Anklänge an Arvo Pärt, oder ein Menuett im Stil von Mozart herauszuhören. Insgesamt also ein gelungenes Potpourri durch die Musikgeschichte.

Großen Applaus gab es am Ende der rund zweistündigen Aufführung für alle Beteiligten, die unisono exzellent singenden wie spielenden Vokalisten, die pantomimisch wie tänzerisch agierenden Mitglieder des Serapions Theaters, Alice, den Dirigenten und die formidabel musizierenden Mitglieder des Roten Orchesters, sowie dem gesamten Regieteam und last but not least dem eloquenten Komponisten, der soviel jugendliche Frische ausstrahlte, dass man sicherlich noch einige musikdramatische Werke von ihm in der Zukunft wird erwarten können.

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