Der Standard, nicht erschienen, Beate Hennenberg

Das Gute im Menschen

Das „Tagebuch der Anne Frank“ – ein jeder hat es in seiner Schulkarriere gelesen. Anne, ein kluger, zunächst 13-jähriger Teenager schreibt, während sich ihre Familie über 25 Monate vor den Nationalsozialisten in Amsterdam versteckt, ihre Gedanken und Gefühle in ein Buch. Wovon sie träumt. Wovor sie Angst hat. Wie es ist, über Jahre nie die Sonne direkt zu sehen oder den Wind auf der Haut zu spüren. Ob es noch Hoffnung gibt.

Die letzte Eintragung stammt vom 1. August 1944, drei Tage später wurde sie, vermutlich von einer Putzfrau verraten, von der Gestapo festgenommen und nach Auschwitz deportiert. Das später von Freundin Miep Gies gefundene Tagebuch avancierte zum meist gelesenen Zeitdokument zum Genozid an den Juden während des Dritten Reiches.

Grigori Frid, Spezialist für Mono-Opern, versucht mit seinem 1972 in Moskau uraufgeführten Bühnenwerk nach 20 Eintragungen Tagebuch der Anne Frank, jetzt wieder im Jugendstiltheater aufgeführt, auf diese Fragen Antworten zu geben. In seine teils modern-krachende, teils mild-schostakowisierende Partitur fügt sich der textklare Sopran von Nina Maria Plangg gut ein. Das Orchester der Anton Bruckner Privatuniversität Linz unter Thomas Kerbl ist immer auf der Suche nach künstlerischer Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen.

Hier nun entsteht – gemeinsam mit Regisseurin Kristine Tornquist, die das Publikum auf die Bühne plaziert und somit die Handlung in den bedrohlich fremd wirkenden Zuschauerraum mit nur einem einzelnen Schrank verlegt, eine der ansprechendsten Off-Opern-Produktionen der letzten Jahre. Somit hat sich das Jugendstiltheater vorteilhaft im Dschungelcamp der Wiener Bühnen positioniert.

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