Der Stern des Wallenstein - Dramaturgische Überlegungen

Ausblick und Durchblick

1608 erfand der niederländische Brillenmacher Lipperhey das Teleskop. Der Himmel, noch Ort mystischer und religiöser Geheimnisse, wurde damit durchschaubar. Auch das Mikroskop, dessen Erfinder umstritten sind, wurde 1608 erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert und gewährte Einblicke in die Bausteine der materiellen Welt. Der Aufbruch ins Unbekannte durch den unvoreingenommenen und durch diese neue Technologie gestützten Blick eröffnete Kepler neue Erkenntnisse im Grossen wie im Kleinen: 1609 veröffentlichte Kepler seine bahnbrechende Theorie der Planetenbewegungen, 1611 schrieb er seine Arbeit über die sechseckige Struktur der Schneeflocke. Die Grenzen der Sinnesorgane - Kepler war schwer kurzsichtig - das war eine der Erungenschaften der Renaissance, sollten nicht die Grenze der Erkenntnis sein, die Geheimnisse der Natur wollen gelüftet werden: „Ich habe ans Licht gebracht, daß die ganze Natur der Harmonie in ihrem ganzen Umfang und mit allen ihren Einzelheiten in den himmlischen Bewegungen  vorhanden ist."

Ebenfalls 1608 erstellte Johannes Kepler, unbezahlter Hofastronom bei Rudolf II und deshalb Berufsastrologe, dem jungen Wallenstein ein erstes Geburtshoroskop und eine stellare Charakterkonstellation, das nicht unbedingt zu dessen Gunsten ausfiel: „...unbarmherzig, ohne brüderliche und eheliche Lieb, niemand achtend, nur sich und seinen Wollüsten ergeben, hart über die Untertanen, an sich ziehend, geizig betrüglich, ungleich im Verhalten, meißt stillschweigend, oft ungestüm auch streitbar, unverzagt, weil Sonne und Mars beisammen...“ Vor allem aber - und so stellt es auch Perutz dar - war Kepler ein kluger Menschenbeobachter und Psychologe. Kepler prophezeihte dem jungen, aber verarmten Adeligen eine reiche Heirat.

Bereits im Mai 1609 fand diese Hochzeit tatsächlich statt. Kepler verwarf zwar die Astrologie nicht per se - so wie er erstmals terrestrische physikalische Gesetze auf Himmelskörper anwandte, hielt er umgekehrt Spiegelungen stellarer Harmonien und Proportionen in die menschliche Seele für wahrscheinlich -  doch an den Ausblick in die Zukunft glaubte er nicht. Da diese historische Verbindung mit der reichen Witwe Lukrezia von Witschkow von einem befreundeten Jesuitenpater jedoch bereits 1608 vermittelt worden war, könnte auch eine scharfe Analyse der Gegenwart Kepler diesen Blick in die Zukunft ermöglicht haben. Wallenstein war sehr beeindruckt, 1627 nahm Kepler zur Erstellung von Horoskopen zu den geplanten Schlachten in festen Dienst, und finanzierte Kepler dafür eine Druckerei für seine wissenschaftlichen Schriften.

Perutz lässt auch Wallenstein das verborgene Gesicht seiner Geliebten entlarven und hinter der Maske eines romantischen Abenteuers eine Goldgrube entdecken. - und die Chance ergreifen. Ein anderer hätte die Nacht vielleicht als Anekdote für sich verbucht, nicht jedoch Wallenstein, der seinen eigenen geschärften Sinnen vertraut und ohne Sentimentalität die Täuschungsmanöver durchschaut.

Johannes Kepler wurde 1606  Tycho Brahes Assistent am Prager Hof. Nach dessen Tod übernahm er die Stelle als Hofmathematiker und die Aufgabe, die sogenannten Rudolfinischen Tafeln zu erstellen. Dafür wertete er die Aufzeichnungen Tycho Brahes aus und beschrieb die Positionen der Planeten mit bis dahin unerreichter Genauigkeit, vollendet wurden die Tafeln erst 1627. Ausserdem war er zuständig für die Horoskope, die der - wie alle seiner Zeit  - abergläubische Rudolf II bei ihm bestellte. Viele seiner bahnbrechenden Erkenntnisse gelten bis heute.

Von Wallenstein, geboren als Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein,  ist überliefert, dass er sehr lärmempfindlich war. Wo der Feldherr durchzog, mussten Kirchenglocken schweigen und Tiere weggesperrt werden. Seine Entdeckung - nämlich dass Kriege sich selbst finanzieren - gilt ebenfalls bis heute.

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