Robert Schindel

Autor und Vorleser.
Robert Schindel wurde 1944 in Bad Hall als Kind jüdischer Kommunisten geboren. Er überlebte nach der Verhaftung seiner Eltern, die sich als elsässische Fremdarbeiter getarnt hatten, um im Auftrag der Exil-KPÖ in Linz eine Widerstandsgruppe aufzubauen, unter dem Namen Robert Soel. Er war im jüdischen Kinderspital in der Wiener Tempelgasse (damals Mohaplgasse) untergebracht. Die jüdische Fürsorgerin Franzi Löw und die jüdische Kinderschwester Mignon Langnas verhinderten seine Deportation in die Konzentrationslager Auschwitz und Theresienstadt. Sein Vater, René Hajek, wurde am 28. März 1945 im KZ Dachau ermordet, die Mutter, Gerty Schindel, überlebte die KZs Auschwitz und Ravensbrück und kehrte 1945 nach Wien zurück, wo sie ihren Sohn wiederfand.
1950 bis 1954 besuchte er die Volksschule und danach das Bundesrealgymnasium in Wien. 1967 holte Schindel an einer Maturaschule die Matura nach, studierte Philosophie und zwei Semester Rechtswissenschaft und engagierte sich in maoistischen Kreisen. Als seine wirkliche Universität bezeichnete er aber das Café Hawelka, in dem er unter anderen H. C. Artmann und Oskar Werner kennenlernte. Er wurde Mitbegründer der nach Berliner Vorbild aufgebauten Studentenbewegung „Kommune Wien“ und der Literaturzeitschrift „Hundsblume“, in der er auch seine lyrischen Texte publizierte. Seinem Kreis gehörten auch andere später bekannt gewordene Künstler wie Elfriede Jelinek und das Zwillingspaar Konstantin Kaiser und Leander Kaiser an. 1970 veröffentlichte Schindel den Roman Kassandra.
1986 wurde Robert Schindel freiberuflicher Schriftsteller. Davor hatte er seinen Lebensunterhalt mit zahlreichen Jobs unter anderem bei Post und Bahn, als Bibliothekar in der Wiener Hauptbücherei (1975–1980), Nachtredakteur bei Agence France-Presse (1981–1983) und als Gruppentrainer für Arbeitslose (1983–1986) bestritten. Nebenbei entstanden auch Arbeiten für Film, Fernsehen und Rundfunk.
Eine zentrale Rolle in seinen Werken spielen die Shoa und sein ambivalentes Verhältnis zu Wien, jener Stadt, die er auch als „Vergessenshauptstadt“ bezeichnet, und dem dort noch immer bestehenden Antisemitismus. Diese Thematik nahm in den 1980er Jahren in seiner Arbeit mehr Platz ein. In diesem Jahrzehnt drang auch die unbewältigte NS-Vergangenheit Österreichs durch die Waldheim-Affäre ins öffentliche Bewusstsein.
1992 veröffentlichte Robert Schindel den Roman Gebürtig, der aufgrund seines Erfolges von ihm zusammen mit Lukas Stepanik 2001 verfilmt wurde. Von 1998 bis 2002 war er Mitglied der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises, ab 1999 als deren Vorsitzender. Robert Schindel ist ein Förderer von Nachwuchsschriftstellern und hält verschiedene Schreibwerkstätten für junge Autoren ab.
2004 wurde Schindel Mitherausgeber des Literaturprojekts „Landvermessung. Österreichische Bibliothek nach 1945. Vergessene, Bleibende, Künftige. Vormals Austrokoffer“, das aufgrund des österreichischen Jubiläumsjahres 2005 (50 Jahre Staatsvertrag, 60 Jahre Republik, 10 Jahre EU-Beitritt) aufgelegt wurde.
2006 gründete er gemeinsam mit Rudolf Scholten in Heidenreichstein das Literaturfestival Literatur im Nebel.
Robert Schindel ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er begründete die erste staatliche Literaturinstitution in Österreich, die kreatives Schreiben fördert, und lehrt dort als Universitätslektor am Institut für Sprachkunst der Universität für Angewandte Kunst Wien.